„Ein voller Erfolg“ – BND-Urteil freut „Reporter ohne Grenzen“

Haben auch Ausländer im Ausland deutsche Rechte? Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht jetzt in Bezug auf die Abhörpraxis des BND bejaht. Die verstößt nämlich gegen Artikel zehn des Grundgesetzes: den Schutz des Fernmeldegeheimnisses. Karlsruhe stellte fest, dass der BND auch im Ausland an das Grundgesetz gebunden ist, was Nachbesserungen am BND-Gesetz nötig macht. Über das viel beachtete Urteil sprach die MDZ mit Lisa Dittmer, Referentin für Internetfreiheit bei „Reporter ohne Grenzen“.

Ein Krake, der es auf Daten aus Telefonen und Laptops abgesehen hat: So stellten „Reporter ohne Grenzen“ und die Gesellschaft für Freiheitsrechte den BND vor dem Bundesverfassungsgericht dar. (Foto: RSF Deutschland)

Das Bundesverfassungsgericht hat ein Grundsatzurteil zur „strategischen Überwachung“ durch den BND im Ausland gefällt. Was besagt es?

Dass die massenhafte Überwachung der Kommunikation von ausländischen Personen im Ausland gegen Grundrechte verstößt. Der Bundesnachrichtendienst ist nicht nur auf deutschem Boden an die Achtung der Pressefreiheit und des Telekommunikationsgeheimnisses gebunden. Er muss daher auch bei der Auslandsüberwachung Vorkehrungen zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten treffen.

Das Urteil ist auf erhebliche öffentliche Resonanz gestoßen. Warum ist seine Tragweite so groß?

Es ist das erste Grundsatzurteil zur BND-Überwachung seit über 20 Jahren und die späte Quittung für die jahrelange Weigerung der Bundesregierung, die durch die Snowden-Enthüllungen ans Licht gekommene Massenüberwachung einzugrenzen. Schon das 2016 erlassene BND-Gesetz hätte genau das tun müssen. Das Urteil sendet deshalb nun ein wichtiges Signal sowohl in Hinsicht auf die deutsche Gesetzgebung und die Befugnisse deutscher Behörden im Ausland als auch mit Blick auf ausländische Nachrichtendienste.

Verfassungsbeschwerde eingereicht hatten diverse Medienorganisationen und einzelne ausländische Medienvertreter, wie etwa Khadija Ismayilova aus Aserbaidschan, Trägerin des Alternativen Nobelpreises. Warum hatte die bisherige Überwachungspraxis des BND so große Bedeutung für den Journalismus und was verändert sich in dieser Hinsicht mit dem Urteil?

Medienschaffende sind darauf angewiesen, in einer zunehmend digitalen Welt vertraulich mit ihren Quellen kommunizieren zu können. Wenn sie befürchten müssen, dass global vernetzte Nachrichtendienste mitlesen und mithören, schränkt das ihre Arbeit erheblich ein und untergräbt das Vertrauen von Informantinnen und Informanten in den Schutz ihrer Identität. Dass diese Sorge begründet ist, haben nicht zuletzt die „Spiegel“-Enthüllungen der BND-Überwachung von Anschlüssen der BBC, der „New York Times“ und von Reuters gezeigt.

Deshalb sind wir froh, dass das Bundesverfassungsgericht die Schutzwürdigkeit journalistischer Kommunikation anerkannt hat und in seinem Urteil höhere Eingriffsschwellen für die Überwachung von Medienvertretern und Berufsgeheimnisträgern fordert. Auch für die Weiterleitung von Informationen an andere Nachrichtendienste werden nun höhere Standards gesetzt, um Medienschaffende und Whistle­blower besser vor Repressalien in ihren Heimatländern zu schützen.

Zu den Klägern gehörte auch „Reporter ohne Grenzen“, Ihre Organisation. Stellt Sie das Urteil vollauf zufrieden?

Dass es so umfassend auf den Schutz der Pressefreiheit eingeht, ist ein voller Erfolg. Der Bundesregierung sind in vielen Bereichen recht konkrete Vorgaben zur verfassungskonformen Ausgestaltung des BND-Gesetzes gemacht worden. Kritisch sehen wir eine Passage, die eine Ausnahme bei der Berücksichtigung von Vertraulichkeitsbeziehungen ermöglicht, wenn die vom BND gesammelten Informationen allein für die Bundesregierung bestimmt sind. Sie wären dann zwar vor der Heraus­gabe an andere Nachrichtendienste geschützt, ein Eingriff in das Kommunikationsgeheimnis ist das natürlich dennoch.

Insgesamt stellt das Urteil auch mit Blick auf eine künftig effektivere Kontrolle der Arbeit des BND eine deutliche Verbesserung für ausländische Medienschaffende dar. „Reporter ohne Grenzen“ wird sich weiterhin politisch für eine angemessene Umsetzung des Urteils einsetzen.

Welche Stimmen zu dem Urteil verdienen besondere Beachtung?  

Berührt hat uns zum Beispiel die Reaktion von Mitklägerin Khadija Ismajilova, die durch das Urteil den Wert demokratischer Strukturen bestätigt sieht. Edward Snowden spricht von einem „Schritt in die richtige Richtung“ und hofft, dass das Urteil international etwas in Bewegung setzt. Viele derer, die sich vorab sehr kritisch geäußert haben, betonen nun doch, dass der BND auch zukünftig gute Aufklärungsarbeit leisten können wird. Beispielsweise beim Thema Kon­trolle der Nachrichtendienste gibt es ja auch bereits andere europäische Modelle. Hier wird sich der internationale Austausch sicherlich auszahlen.

Interessierte Nachfragen haben wir auch zu den Auswirkungen der Grundrechtsbindung auf andere Bereiche bekommen. Wir sind gespannt, was das Urteil noch bewirken könnte.

Der BND ist nur ein Auslandsnachrichtendienst unter vielen. Auch wenn ihm jetzt Zügel angelegt wurden, so dürfte die journalistische Arbeit im Ausland weiter von seinen Pendants aus anderen Ländern bedroht sein. Sind insofern weitere Klagen gegen deren Überwachungspraxis zu erwarten?

„Reporter ohne Grenzen“ wird als internationale Organisation schauen, ob entsprechende Klagen auch in anderen Ländern strategisch sinnvoll wären.

Die Fragen stellte Tino Künzel.

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