Tatjana Tomaschowa ist 49 Jahre alt, ihre sportliche Laufbahn hat sie schon 2016 beendet. Einst gehörte die Mittelstreckenläuferin zu den Besten ihrer Zunft. 2003 und 2005 wurde sie in ihrer Paradedisziplin, den 1500 Metern, Weltmeisterin, 2006 Europameisterin. Dazwischen gewann sie 2004 bei den Olympischen Spielen von Athen die Silbermedaille.
Doch über der großenKarriere von Tomaschowa liegt ein langer Schatten. 2008, kurz vor Beginn der Olympiade von Peking, war sie vom Internationalen Leichtathletikverband für fast drei Jahre gesperrt worden. Zusammen mit sechs weiteren russischen Athletinnen soll sie Dopingproben vertauscht haben, um die Einnahme leistungssteigender Mittel zu vertuschen. Die Olympischen Spiele von London im Jahr 2012 waren ihre Chance, allen zu beweisen, dass sie auch ohne miese Tricks zur absoluten Weltspitze gehört.
Das Rennen über 1500 Meter beendete Tomaschowa als Vierte. Doch weil Jahre später erst Olympiasiegerin Asli Cakir Alptekin und dann auch die Zweite Gamze Bulut – beide aus der Türkei – des Dopings überführt und disqualifiziert wurden, bekam die Russin zunächst Bronze und schließlich Silber zugesprochen. Es dauerte jedoch nur bis 2021, als Nachproben bei Tomaschowa einen positiven Dopingbefund in Form von Anabolika ergaben, der auf zwei Trainingstests im Vorfeld von Olympia 2012 zurückgeht.
Silber weg, zehn Jahre Sperre
Jetzt hat auch der Internationale Sportgerichtshof (CAS) sein Urteil gefällt: Die ehemalige Star-Läuferin wurde mit Wirkung vom 3. September formal für zehn Jahre gesperrt, sämtliche Ergebnisse von 2012 bis 2015 sind annulliert. Darunter fällt auch ihr Olympia-Lauf. Der Schatten über ihrer Leistung ist noch länger geworden.
Dass Doping-Vergehen erst viele Jahre später aufgedeckt werden, weil sich inzwischen die Nachweis-Methoden verbessert haben, ist keine Seltenheit. Diesen Sommer wurden während der Olympischen Spiele von Paris zehn Olympioniken von Sydney 2000, Peking 2008 und London 2012 nachträglich mit Medaillen geehrt, die ihnen wegen Dopingfällen anderer zustanden. Für Russland geriet die Londoner Olympiade in dieser Hinsicht zum Desaster: Mit dem Silber von Tomaschowa wurden russischen Sportlern wegen Dopings bereits 14 Medaillen wieder entzogen, darunter sieben goldene.
Tino Künzel