Die süße Seite von St. Petersburg

Selbst vor der Eremitage bilden sich in der Regel keine Schlangen, vor der Bäckerei mit der Aufschrift „Pyschki“ ein paar Straßen weiter aber schon. Die Location genießt einen legendären Ruf und gehört zu den 16 Läden in St. Petersburg, die 2008 von der Stadtregierung in ein „Rotes Buch“ besonders schützenswerter Orte aufgenommen wurden.

Pyschki und sonst nichts: Die Bäckerei im Stadtzentrum ist auf ein einziges Produkt spezialisiert, doch das verkauft sich bestens. (Foto: Maria Bolschakowa)

Pyschki sind eine luftig-süße Spezialität, die geschmacklich den Krapfen ähnelt, aber ringförmig ist. Das leckere Gebäck – in Russland außerhalb von St. Petersburg unter dem Namen Pontschiki bekannt – wird in Fett gebraten und anschließend mit Puderzucker bestreut. Die Backtechnologie soll ganz einfach sein, wird von der Pyschki-Bäckerei in der Bolschaja Konjuschennaja, einer Nebenstraße des berühmten Newskij-Prospekts, aber trotzdem nicht verraten. Eine Pyschka kostet hier 15 Rubel (0,17 Euro), dazu kann man sich einen Kaffee mit gezuckerter Kondensmilch für 35 Rubel (0,40 Euro) bestellen.

Doch der Ort ist nicht nur wegen seiner köstlichen Backware und den erschwinglichen Preisen beliebt, sondern auch wegen seiner Atmosphäre. Die Bäckerei existiert seit 1958 und hat sich seitdem kaum verändert. Ihre einfache Inneneinrichtung besteht aus einigen Sitzplätzen, die fast nie frei sind, und Stehtischen. Hier kommt man schnell ins Gespräch. Morgens kann man die neuesten Stadtnachrichten von den Einheimischen hören, abends die Geschichten der Touristen. Natürlich erst, nachdem die wichtigste Frage beantwortet ist: Wie viele Pyschki nehmen wir diesmal? Am Tag werden im Schnitt zwischen 1500 und 2000 verkauft. Selbst an Wochentagen ist Anstehen daher eher die Regel als die Ausnahme. Oft reicht die Schlange bis vor den Eingang.

Von Kunden belagert: Das süße Geschäft ist eine Petersburger Institution. (Foto: Maria Bolschakowa)

Auf den Tischen sind statt der üblichen Servietten geschnittene Papierblätter zu finden, auch das eine kleine Erinnerung an die Sowjetzeit. Das Personal ist nett, aber auch direkt. An der Kasse sollte man schon wissen, was man will, um nicht den Betrieb aufzuhalten. Ein besonderer Laden-Hüter ist ein roter Kater. Entweder beobachtet er durchs Fenster das Geschehen auf der Straße, schlummert auf einem Stuhl oder posiert für Fotos.

Werbung betreiben die Besitzerinnen, von denen die älteste fast 80 Jahre alt ist, so gut wie nicht. Die Bäckerei hat weder eine eigene Webseite noch Accounts bei sozialen Netzwerken. Bei VKontakte haben Besucher aber eine Art Fanklub gegründet. In der Gruppe mit mehr als 5000 Teilnehmern werden Fotos und Geschichten rund um den Kultladen geteilt. 

Dessen Lage mitten im Stadtzentrum ist ein schöner Standortvorteil. Aber selbst wenn die Geschäfte irgendwann einmal nicht mehr so laufen wie heute, ist die Bäckerei vor der Schließung geschützt. Orte, die wie sie in einem „Roten Buch“ von Läden mit langer Tradition enthalten sind, dürfen nicht einfach zweckentfremdet werden.

Maria Bolschakowa

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