Beten unter freiem Himmel: Moskau an islamischen Feiertagen

Moskau hat fünf Moscheen, doch Muslime gibt es in der Stadt wohl mehrere Millionen. Das führt dazu, dass sich an hohen islamischen Feiertagen vieles auf der Straße abspielt, wie jüngst beim Fest des Fastenbrechens.

In Moskau ein gewohntes Bild: Tausende Muslime beten in der Nähe der Zentralmoschee direkt auf der Straße. (Foto: Artur Nowosilzew/AGN Moskwa)

Für ein Land, in dem Muslime eine – wenn auch große – Minderheit darstellen, sind Szenen wie jüngst beim Fest des Fastenbrechens in Moskau ein durchaus erstaunliches Bild. Zehntausende Gläubige pilgerten zur Zentralmoschee nördlich des Stadtzentrums, wo die meisten ihre Gebetsteppiche auf der Straße ausrollten. Denn selbst eine der größten Moscheen in Europa, die 10.000 Menschen fasst, ist mit dem Ansturm überfordert. Das gesamte Viertel wird an den höchsten islamischen Feiertagen abgesperrt. Der Ausnahmezustand setzt sich in der Metro fort. Gerade im Berufsverkehr sorgt das durchaus auch für gereizte Reaktionen.

Die Zahl der Muslime in Moskau wird bei einer Gesamtbevölkerung von 13 Millionen mal auf eine halbe Million, mal auf drei oder sogar vier Millionen geschätzt. Bei der Zentralen geistlichen Verwaltung der Muslime Russlands geht man davon aus, dass etwa zwei Drittel davon Ortsansässige sind. Bei den übrigen handelt es sich demnach um Arbeitsmigranten, zum Großteil aus Zentralasien. Ihre Sichtbarkeit im öffentlichen Leben ist nicht sehr groß. Und auch die Massenaufläufe zum Fest des Fastenbrechens und dem islamischen Opferfest rund 70 Tage später laufen in der Regel konfliktfrei ab.

Proteste gegen Moscheebau

Im Moskauer Stadtgebiet gibt es fünf Moscheen und gut 100 Häuser mit Gebetsräumen. Dass das nicht ausreicht, ist mehr oder weniger Konsens. Doch die Stadt scheint bei Bauvorhaben von vornherein mit einer negativen Resonanz von Anwohnern zu rechnen und scheut offenbar eine klare Kommunikation. Als in Koschuchowo, einem Neubauviertel am äußersten östlichen Stadtrand, die Information durchsickerte, dass dort eine Moschee und ein muslimisches Zentrum errichtet werden sollen, waren wochenlange Proteste die Folge.

Einerseits erhitzte die Gemüter, dass die Stadt sich angeblich für einen Standort in einer grünen Oase am sogenannten Heiligen See entschieden hatte. Dort steht bisher nur eine kleine orthodoxe Kirche. Andererseits war das Projekt wohl so groß angelegt, dass von Tausenden, wenn nicht Zehntausenden Besuchern ausgegangen werden musste.

Ramsan Kadyrow, der Regierungschef des muslimischen Tschetscheniens, schimpfte Anfang April, die Protestler seien „Feiglinge und Provokateure“. Sie gehörten zur Armee eingezogen oder vor Gericht gestellt. Inzwischen hat die Bürgermeister Sergej Sobjanin mitgeteilt, es werde weiter nach einem Standort gesucht.

Tino Künzel

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