Russland bereitet sich in den letzten Zügen auf die Fußballweltmeisterschaft vor. Dabei werden bis zu einer Million Fans erwartet, berichtet Alexej Tichnenko, Leiter für Hotelmanagement der Abteilung Sport und Tourismus der Stadt Moskau. In der ersten Verkaufsphase der WM-Tickets kamen allein 338 414 Anfragen aus Deutschland. Die Bundesrepublik liegt damit auf Platz zwei, gleich hinter den russischen Fans.
Damit die Gäste aus aller Welt ungehindert von einem Austragungsort zum anderen reisen können, sucht die staatliche Bahngesellschaft, kurz RZD, Übersetzer mit Diplom. Aus dem Deutschen, Englischen oder Spanischen müssen die Dolmetscher übersetzen, um zwischen Fußballfans und dem Zugpersonal vermitteln zu können.
Doch der ungewöhnliche Arbeitsplatz verlangt noch mehr von den Bewerbern: 27 Tage leben und arbeiten die Dolmetscher in den Zügen. Ein Schlafwaggon-Coupe, in das gerade mal ein Bett und ein kleiner Tisch passen, wird von Juni bis Juli die Unterkunft der Übersetzer sein.
Deutsch-Übersetzer fehlen
Zumindest wenn sich ein passender Kandidat für die Position findet, erklärt Elena Semenowa. Die Managerin des Übersetzerbüros „LexiCat“ in Omsk sucht für die Bahngesellschaft RZD einen geeigneten Dolmetscher, der fließend Deutsch und Russisch spricht. „Das ist gar nicht so einfach“, erklärt die Leiterin des Übersetzerbüros. Englisch- und Spanisch-Übersetzer mit Diplom gäbe es deutlich häufiger und diese seien somit leichter zu finden als deutsche Fachkundige, erläutert Semenowa.
Die Arbeit quer durch Russland sei ein Abenteuer, denn noch steht nicht fest, welche Ziele die von Dolmetschern begleiteten Züge anfahren werden. Elf Städte, darunter Moskau, Jekaterinburg, Kazan und Sotschi, müssen auf dem europäischen Kontinent miteinander vernetzt werden.
Dolmetscher und Kulturvermittler
Ein Katzensprung ist das nicht. Die am weitesten entfernten Austragungsorte der Weltmeisterschaft, Jekaterinburg und Kaliningrad, trennen über 3000 Kilometer. Doch auch auf kurzen Strecken werden Dolmetscher gebraucht. „Probleme und Fragen treten immer auf, dann sind die Übersetzer gleich vor Ort und können helfen“, so Semenowa.
Wo finde ich im Zug Trinkwasser, wie komme ich am schnellsten zum Olympiastadion in Sotschi oder wer war eigentlich Puschkin? Die polyglotten Zugbegleiter müssten sich auf einige Fragen gefasst machen, das verlange die Zuggesellschaft, erklärt die „LexiCat“ Managerin. Das ungewöhnliche Jobangebot ist auch für das Übersetzerbüro eine neue Erfahrung. „Nach Dolmetschern in Zügen wurden wir noch nie gefragt“, lacht Elena Semenowa.
Kim Hornickel