Was bringt Trump? Erwartungen aus deutscher und russischer Sicht

Seit dem 20. Januar erst ist der Republikaner und Milliardär Donald Trump als 45. US-Präsident im Amt, da hat er sich schon entweder als lang ersehnter Heilsbringer oder gefürchteter Vorbote der Hölle etabliert. Die Berichterstattung ist vor allem emotional, kaum mehr rational. Was kann dieser Machtwechsel im Weißen Haus für die deutsch-russischen Beziehungen bedeuten? Mit dieser Frage beschäftigte sich auch das jüngste „Moskauer Gespräch“.

Erstes Moskauer Gespräch 2017: Dmitrij Trenin, Andrej Kortunow, Konstantin von Eggert und Matthias Platzeck (v.l.n.r.) diskutieren über den neuen US-Präsidenten Trump / pl

Erstes Moskauer Gespräch 2017: Dmitrij Trenin, Andrej Kortunow, Konstantin von Eggert und Matthias Platzeck (v.l.n.r.) diskutieren über den neuen US-Präsidenten Trump / pl

„Auch, wenn man nüchtern ist und bleibt, haben wir es mit einer ‚Zeitenwende‘ zu tun“, zitiert beim ersten Moskauer Gespräch des Jahres 2017 Matthias Platzeck, der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, den deutschen Außenminister Frank-Walther Steinmeier. Das 20. Jahrhundert, wie es einmal war, sei mit der Wahl Trumps endgültig beerdigt worden.

Ein brennendes Thema: Der "Berlin"-Saal im Deutsch-Russischen Haus ausgefüllt bis zum letzten Stehplatz / pl

Ein brennendes Thema: Der „Berlin“-Saal im Deutsch-Russischen Haus ausgefüllt bis zum letzten Stehplatz / pl

Während in Deutschland, Europa und dem sogenannten Westen im politischen Diskurs immer wieder von Werten gesprochen wird, ist Trumps größter Wert und nahezu am häufigsten verwendetes Lieblingswort „Deal”, ein Geschäft. Ob Russland mit diesem Mann einen neuen Freund im Weißen Haus hätte, fragt das Thema des Abends. „Ich bin mir nicht sicher, ob man Donald Trump zum Freund haben will”, sagt Platzeck nachdenklich, denn eine solche Freundschaft gelte dann ja für länger. „Freund ist keine politische Kategorie”, ergänzt er. „In der Politik gibt es drei Triebkräfte: Interessen, Interessen, Interessen.” Also doch der Trump’sche Deal?

Dmitrij Trenin, Direktor des Moskauer Carnegie-Zentrums, sieht den „Pax Americana” („amerikanische Frieden”) in der Welt, den einst so bedeutenden Halt in der weiten Geopolitik, als verloren an. Das Vertrauen schwinde überall, sowohl in den Frieden als auch in Amerika. Das nun erreichte Tief habe Trump wiederum genau erkannt: Das stecke in der Frage „Deal or no deal?”.

Trump als Metapher

Wenn von Trump gesprochen wird, auch das zeigten die „Moskauer Gespräche”, schwingen immer auch Persönlichkeiten und Formationen mit wie die britische Premierministerin Theresa May, die nun die Brexit-Verhandlungen mit der EU bewerkstelligen muss, die französische Front-National-Chefin Marine Le Pen, die zuletzt beim Treffen der euroskeptischen Fraktion des Europäischen Parlaments „Europa der Nationen und der Freiheit” in Koblenz ankündigte, im Falle eines Wahlsieges bei den Präsidentschaftswahlen 2017 möglicherweise einen Ausstieg Frankreichs aus der EU anzustrengen, die deutsche AfD, die italienische „Lega Nord” und viele andere. Aber gerade Trump ist zur Symbolfigur geworden für sie alle. Trump ist am berühmtesten. Sein Sieg überraschend, da tatsächlich niemand im Westen mit diesem Wahlergebnis gerechnet hatte. „Niemand hat an einen Sieg Trumps geglaubt, außer uns”, so sagte es mit einem leichten Gewinner-Lächeln auf den Lippen der russische Präsident Wladimir Putin bei seiner „Großen Jahrespressekonferenz” am 23. Dezember.

Es darf auch mal gelacht werden: Von Eggert und Platzeck / pl

Es darf auch mal gelacht werden: Von Eggert und Platzeck / pl

Und dann brach Trump, der schon seit Wahlkampfbeginn am liebsten alle Neuigkeiten per Twitter in die Welt setzte, auch gleich den ersten Rekord: mit der kürzesten Antrittsrede überhaupt sowie den durchschnittlich kürzesten Sätzen, wie der schweizerische Tagesanzeiger analysierte. Eine neue Sprache hält Einzug in die Politik – und damit neue Umgangsformen. Für Platzeck ist das buchstäblich ein „Desaster”: „Was ist nur gesellschaftlich im Westen (…) passiert, dass wir in einem Mittelalter gelandet sind, wo sich holzschnitthafte Vorstellungen wie die von Trump und Putin durchsetzen?” Der russische Politologe Andrej Kortunow, Präsident der Stiftung „Neues Eurasien” und Direktor des Rates für Auswärtige Angelegenheiten, überspitzt: „Politik ist wie McDonald’s. Dort gibt es nicht das, was gesund ist, sondern das, was die Leute mögen.” Ergo, weniger McDonald’s, mehr Sport machen?

Trumps „Nichtstun”

Amerika sei müde von den teuren Einsätzen im Nahen Osten, meint Kortunow weiter. Für Trump sei da kein „guter Deal” zu holen. Die ehemaligen Sowjetrepubliken? Seien auch kein besonderes Interessensfeld desjenigen Mannes, der ja immer wieder betont, er wolle Amerika wieder groß machen. Und auch die Ukraine, die Minsker Vereinbarungen und deren Einhaltung seien ihm kein großes Anliegen. Damit werde der Ukraine-Konflikt zu einem europäischen Problem, meint der Politologe. Für Kiew galten die USA bislang als letzte Unterstützung, die jetzt zurückgehen werde, so Kortunow. Aber: „Trump wird die Ukraine nicht an Putin verschenken, denn auch das wäre ein schlechter Deal.”

Würde sich Trump tatsächlich aus all diesen ukrainischen Angelegenheiten heraushalten, ohne sie völlig an Russland abzutreten. Dann müsste Brüssel ran. Aber in der EU hat man gerade andere Probleme: May mit dem Brexit, die Ostflanke mit den Flüchtlingen, den Süden mit den überschuldeten EU-Mitgliedsstaaten Griechenland, Italien und Spanien, die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich und Bundestagswahlen in Deutschland: „Das muss alles gemanagt werden”, erinnert Platzeck. „Wir sollten also alles versuchen, ein vernünftiges Verhältnis zu Russland wieder herzustellen”, ohne dem gehe es nicht.

Ein skeptischer Blick in die Zukunft: Trenin und Kortunow /pl

Ein skeptischer Blick in die Zukunft: Trenin und Kortunow /pl

Von der US-amerikanischen „The New York Times” bis zur deutschen „Zeit”, immer wieder wird Trump als der Mann oder Freund des Kremls dargestellt. Aber wie sähe denn so eine Freundschaft aus, selbst wenn man sie auf Interessenlagen und „Big-Deal”-Potenzial herunterbräche? Kortunow meint, letztlich hätten sich Trump und Putin „gegenseitig kaum etwas zu bieten”, worüber es zu verhandeln gelte. Daher kam wohl auch die überraschende Idee Trumps, die Sanktionen im Gegenzug für eine regulierte atomare Abrüstung aufzuheben, obwohl die Maßnahmen ja einst wegen der Situation in der Ukraine eingeführt und der Nichterfüllung des Minsker Abkommens beibehalten wurden.

Nach vier Trump-Jahren

Die USA würden völlig unvorhersehbar, alles würde möglich sein, prognostiziert Trenin eine Welt nach vier Jahren Trump. Die Nato, die Trump ja unlängst  als „obsolet”, also überholt, bezeichnete, dürfte wohl bleiben, aber sie sei ja heute schon „nur noch eine rhetorische Figur”, sagt er provokant. Und Platzeck zieht daraus den Schluss frei nach Egon Bahr: „Die Beziehungen zu unseren amerikanischen Verbündeten sind unverzichtbar, Russland auf dem europäischen Kontinent ist unverrückbar.”

Von Peggy Lohse

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