Wirtschaft setzt auf Dialog in Krisenzeiten

Anfang Juni trafen sich beim St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum in- und ausländische Wirtschaftsvertreter. Die Veranstaltung ist traditionell auch politisch bedeutsam und war diesmal besonders spannungsgeladen: Pandemie und Konfrontation hatten sonstige Gesprächsformate ausgedünnt. Welche Themen die deutsche Wirtschaft auf dem Forum setzte, darüber schreibt der AHK-Vorstandsvorsitzende Matthias Schepp in seiner MDZ-Kolumne.

Runder Tisch: Businessdialog Russland-Deutschland beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg (Foto: TASS/SPIEF)

Selten war das traditionelle deutsch-russische Diskussionspanel auf dem renommierten St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum (SPIEF) so hochkarätig besetzt wie in diesem Jahr. Die Chefs europäischer Energiegiganten wie Wintershall Dea (Mario Mehren), Uniper (Klaus-Dieter Maubach) und OMV (Rainer Seele) sowie Siemens Energy (Christian Bruch) diskutierten mit rus­sischen Großindustriellen wie dem Stahlmagnaten Alexej Mordaschow und Renova-Eigentümer Wiktor Wekselberg Perspektiven der bilateralen Zusammenarbeit im Energiesektor. Schon seit vielen Jahrzehnten verbindet Deutschland und Russland eine erfolgreiche Energiepartnerschaft bei den fossilen Energieträgern Gas und Öl.

Plädoyer für Wasserstoffallianz

Nun geht es vor allem um die Frage, wie diese Partnerschaft im 21. Jahrhundert bei nachhaltigen und erneuerbaren Energien fortgeschrieben werden kann. „Wir brauchen eine deutsch-russische Wasserstoffallianz“, forderte OMV-Vorstandschef Seele, der auch Präsident der Deutsch-Rus­sischen Auslandshandelskammer (AHK) ist. Für seine Position erntete Seele von allen Gesprächspartnern gro­ßen Zuspruch. Beide Länder seien wie gemacht für eine enge Kooperation in diesem Zukunftsbereich – ganz gleich, ob der Wasserstoff aus Russland nach Deutschland geliefert wird, oder ob der Wasserstoff direkt in Deutschland unter Einsatz von aus Russland importiertem Erdgas produziert werde.

AHK-Chef Matthias Schepp (Foto: TASS/AHK)

Seele plädierte zudem dafür, dass Deutschland neben grünem Wasserstoff aus alternativen Energiequellen auch blauen, aus Gas gewonnenen Wasserstoff zulasse. „Wasserstoff ist ein Molekül. Es hat keine Farbe“, sagte Seele.

„Fatal, Russland ins Abseits zu drängen“

Moderator des deutsch-russischen Businessdialogs war Klaus Mangold, Aufsichtsratschef der Knorr-Bremse AG, früherer Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und mit 77 Jahren ein ebenso blitzgescheites wie gut vernetztes Urgestein der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen. In der aktuellen Folge der AHK-Podcastreihe „Zaren. Daten. Fakten.“ kritisiert Mangold die fehlende Beteiligung deutscher Minister auf dem SPIEF. „Russland ist eine Weltmacht und wir müssen mit dieser Weltmacht umgehen. Es ist fatal, Russland ins Abseits zu drängen“, erklärte Mangold. „Europa wird ohne Russland nicht die Stärke haben, die es braucht, um ein interessanter Partner zu sein im großen Spiel der Weltpolitik zwischen den USA und China.“

Die politische Krise nach der Flugzeug­entführung in Belarus und der Giftat­tacke auf den Oppositionspolitiker Alexej Nawalny stand auch im Fokus einer weiteren deutsch-russischen Diskussionsrunde, moderiert vom Politologen Alexander Rahr. Hier war Klaus Ernst zu Gast, Linken-Politiker und Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie. Am Tag zuvor hatte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig den „Russlandtag in Mecklenburg-Vorpommern“ eröffnet und ihre volle Unterstützung für die Ostseepipeline Nord Stream 2 betont.

Investitionen und Initiativen angekündigt

Wie früher schon hat die Wirtschaft erheblichen Anteil daran, dass der Dialog zwischen Deutschland und Russland auch in Krisenzeiten nicht abreißt. Zahlreiche Unternehmen kündigten Investitionen an, darunter Volkswagen in Höhe von 70 Millionen Euro für eine Motorenproduktion in Kaluga. Linde liefert Ausrüstung für eine gewaltige Gasaufbereitungsanlage im nord­russischen Ust-Luga. Siemens stellt Technik für eine neue Straßenbahn in St. Petersburg bereit und BMW setzt in Russland auf Weiterbildungsprogramme für junge Fachkräfte und Manager gemeinsam mit der Russischen Akademie für Volkswirtschaft.

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