Wenn vom Rubel gesprochen wird, fällt derzeit immer wieder der Begriff „schwarzer Montag“. Denn am 24. Januar begann ein plötzlicher Fall der Währung, die bald darauf ihren niedrigsten Stand seit Langem verzeichnete. 89,15 Rubel waren zwischenzeitlich für einen Euro zu haben, für einen Dollar knapp unter 79 Rubel. Von Kursen wie noch 2013, als ein Euro im Mittel etwa 42 Rubel wert war, träumt man hierzulande schon lange nicht mehr.
Der erneute Kursverfall dämpft den leisen Optimismus, mit dem man die Entwicklung der Währung Ende letzten Jahres noch verfolgen konnte. „Der Rubel profitierte zu diesem Zeitpunkt von steigenden Öl- und Gaspreisen und stand zwischenzeitlich sogar bei einem Kurs von 71,6 Rubel pro US-Dollar“, erklärt Shweta Sikhwal im Gespräch mit der MDZ. Die Wirtschaftswissenschaftlerin forscht an der Moskauer Higher School of Economics zu Währungsinstabilität, unter anderem in Russland.
Ukraine, US-Währungspolitik und Inflation
Die Trendumkehr trotz weiterhin hoher Öl- und Gaspreise liegt vor allem am sich weiter zuspitzenden Ukrainekonflikt. „Die geopolitischen Spannungen zwischen Russland und dem Westen führen derzeit zu Währungsumtausch und steigendem Kapitalabfluss aus Russland“, meint Sikhwal. „Wegen drohender Sanktionen des Westens sehen Investoren russische Anlagen als zunehmend riskant an“. Damit allein sei es aber nicht getan. Die Expertin betont außerdem, dass derzeit generell von einer baldigen Zinserhöhung seitens der amerikanischen Federal Reserve ausgegangen wird. Dadurch würden Anlagen in den USA für Investoren gegenüber anderen Ländern attraktiver. Darunter leiden vor allem Staaten, deren Währungen, wie auch der Rubel, ohnehin weniger stabil sind.
Schließlich kommt auch noch die hohe Inflation dazu. Offiziell geht man in Russland von einer Inflationsrate von 8,39 Prozent für das Jahr 2021 aus, so viel wie seit 2016 nicht mehr. Das trifft auch den Rubelkurs, denn steigende Preise verteuern russische Waren auch im Ausland. „Unter der Inflation leidet der russische Export, während gleichzeitig mehr importiert wird und dadurch sinkt schließlich auch die Nachfrage nach dem Rubel und sein Kurs“, führt Sikhwal aus.
Weitere Entwertung in Aussicht?
Wie also geht es weiter? Zumindest in Sachen Inflation gibt die russische Zentralbank eine optimistische Prognose ab. Bis Jahresende soll die Inflationsrate demnach auf 4 bis 4,5 Prozent sinken. Doch Sikhwal sieht solche Zahlen skeptisch. Sollte sich die Situation an der ukrainischen Grenze nicht entspannen, könnte sich das nämlich auch negativ auf die Inflation auswirken. „Es kommt jetzt vor allem auf die Zusammenarbeit der Regierung und der Zentralbank an. Auch wegen der Möglichkeit eines Konfliktes dürften die russischen Staatsausgaben nun ansteigen. Dadurch wächst auch der Geldbedarf zunehmend. Um Inflation in so einer Situation zu bekämpfen, müsste die Zentralbank zusätzliche Liquidität drosseln“.
Angesichts neuerlicher Ankündigungen wie der Verlegung von US-Truppen nach Osteuropa scheint eine baldige Kursumkehr also unwahrscheinlich. Stattdessen zirkulieren eher pessimistische Szenarien für den Konfliktfall. Ewgenij Schatow vom Investitionsbüro Capital Lab nannte im Magazin „Forbes“ einen möglichen Kurs von 1:100 gegen den US-Dollar. Optimismus sieht anders aus.
Thomas Fritz Maier