Wie zu Sowjetzeiten: Länderpavillons im WDNCh

Mit Ländern wie Armenien oder Aserbaidschan verbindet Russland eine gemeinsame Sowjetvergangenheit. Das ist zwar lange her, doch auf ihre Weise lebt die alte Zeit auch in der neuen fort. Im WDNCh sowieso. Dort stellen sich einige Nachbarländer wie früher wieder in den historischen Pavillons vor.

Einer der größten Länderpavillons ist der von Belarus. (Foto: Tino Künzel)

Das WDNCh im Nordosten von Moskau ist das größte Messe- und Museumsgelände der Welt. 1939 als Schaufenster der „Errungenschaften der Volkswirtschaft“ gegründet, wartet die 325 Hektar große Anlage mit thematischen Pavillons, allerlei Museen, pompösen Brunnen und Freizeitangeboten für die ganze Familie auf. 49 Bauten sind als Kulturerbestätten anerkannt.

Eine Zierde des Geländes sind auch die ehemaligen Pavillons der Sowjetrepubliken, von denen es 15, zwischenzeitlich sogar 16 gab. Als die Sowjetunion zu existieren aufhörte, blieb von deren Glanz und Gloria allerdings nicht viel übrig. Es waren ganz andere „Errungenschaften der Volkswirtschaft“, die nun in den Pavillons Einzug hielten. Valentin R. (88), der das WDNCh schon als Student für seine Eislaufbahn im Winter liebte, erinnert sich, dass er Anfang der 2000er Jahre dort einen Fernseher, einen Kühlschrank und einen Staubsauger gekauft hat: „Das war günstiger als in einem Markengeschäft.“

Fünf Länderpavillons wieder in Betrieb

Die palastartigen Pavillons wurden damals vermietet, beschädigt oder sogar zerstört. Händler, Verfall und Müll prägten das Bild. Erst in jüngster Zeit besinnt man sich wieder auf das Erbe. Seit das WDNCh 2013 in den Besitz der Stadt überging, hat sich dort viel getan. 

Auch die nationalen Pavillons erlebten eine Renaissance. Alle wieder in ihrem ursprünglichen Sinne zu betreiben, ist aus politischen wie praktischen Gründen unmöglich. Einerseits sind die Ex-Sowjetrepubliken längst unabhängige Staaten mit mal mehr, mal weniger guten Beziehungen zu Russland. Andererseits sind gar nicht alle Pavillons erhalten geblieben. Einige werden noch restauriert, einige für andere Zwecke genutzt. Aber in fünf Pavillons präsentieren sich heute wieder russische Nachbarländer. Was gibt es dort zu sehen?

Pavillon Armenien

Der armenische Pavillon (Foto: Tino Künzel)

Der ehemalige Pavillon der Armenischen Sowjetrepublik wurde 1939 aus armenischem Eichenholz erbaut. Heute beherbergt er das Orientalische Museum. Armenien ist stattdessen in den früheren Sibirien-Pavillon umgezogen, die Räumlichkeiten wurden rekon­struiert. Wie es sich für traditionelle kaukasische Gastfreundschaft gehört, herrscht drinnen eine besonders warme Atmosphäre. Es können armenische Weine und Schnäpse verkostet, landestypische Spezialitäten probiert, Lebensmittel und Kosmetik gekauft werden. Auch zeitgenössische armenische Gemälde sind zu bewundern. Eine Buch- und Teppichausstellung rundet das freundliche Bild ab.

Ein Highlight des Pavillons ist das Cognac-Museum „Ararat“. Mehrmals am Tag werden dort 40-minütige Touren einschließlich Kostprobe angeboten. Die Yerevan Brandy Company bewirbt ihre Produktion mit den Worten, jedes Glas Ararat-Cognac sei „von der Güte der armenischen Trauben, den warmen Sonnenstrahlen des Ararat-Tals, der Reinheit des Quellwassers, dem beständigen Charakter der kaukasischen Eiche und der Wärme unserer Hände“ erfüllt.

Tipp für Leib und Magen: das armenische Nationalgericht Dolma  – gefüllte Weinblätter mit zartem Hackfleisch – und andere Gerichte der kaukasischen Küche im Restaurant „Ararat“.

Pavillon Belarus

Der belarussische Pavillon (Foto: Natalia Romanova)

Der Pavillon von Belarus wurde 1954 errichtet. Seit 2008 ist dort ein Handels- und Ausstellungszentrum zu finden, in dem belarussische Hersteller ihre Waren präsentieren. Die kann man auch online unter der Adresse bel-price.ru bestellen und sich nach Hause liefern lassen. Vor Ort in den Geschäften werden Frauen- und Herrenbekleidung, Kopfbedeckungen, Taschen und Kosmetik, aber auch diverse Lebensmittel und Getränke angeboten. Ein Beispiel ist Medowucha – ein alkoholhaltiger Trunk mit würzig-süßem Honiggeschmack.

Tipp für Leib und Magen: die Draniki, knusprig gebratene Kartoffelpuffer, im Café „Bulbjanaja“.

Pavillon Aserbaidschan

Der aserbaischanische Pavillon (Foto: Natalia Romanova)

Der heutige Pavillon von Aserbaidschan wurde nach aufwendiger Restaurierung 2019 wiedereröffnet. Er umfasst mehrere Themenbereiche, die der Zusammenarbeit Russlands und Aserbaidschans gewidmet sind. Im Innern befinden sich eine Ausstellung über die Geschichte, Kultur und Entwicklung von Aserbaidschan, ein Präsentationssaal, eine Bibliothek mit Lesesaal sowie ein Café und eine Teestube im Gewächshaus.

Eine Besonderheit des Pavillons sind seine originalen Innenräume aus dem Jahr 1939. Während der Rekonstruktion wurden alle Elemente des Eingangsbereichs anhand der erhaltenen Abgüsse aus dem Aserbaidschanischen Nationalmuseum für Kunst restauriert. Das betrifft die Eingangstür, die Schalen der Brunnenpaare und die historischen Skulpturen „Hirte“ und „Aserbaidschanische Frau“. Auch die einzigartige Glasmalerei „Schebeke“ konnte wiederhergestellt werden. Mit Schebeke wird die Kunst der Fensterverzierung bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein aus kleinen Nussbaumholzstücken bestehendes Gitter, das aserbaidschanische Handwerker in ihrer Heimat aus Elementen ohne Nägel zusammensetzen.

Tipp für Leib und Magen: Piti-Suppe aus Lammfleisch und Kichererbsen, ein traditionelles aserbaidschanisches Gericht.

Pavillon Kasachstan

Der kasachische Pavillon (Foto: Alexander Awilow/AGN Moskwa)

Der Pavillon von Kasachstan hat einen umfangreichen Umbau hinter sich. Seit gut einem halben Jahr sind seine Tore wieder geöffnet. Außen wie einem Märchen aus tausendundeiner Nacht entsprungen, ist er innen eine moderne Ausstellungsfläche. Besucher können eine faszinierende Multimedia-Reise durch die kasachische Kultur unternehmen, sich über die Geschichte des Landes und seine Wirtschaft informieren sowie herausragende Persönlichkeiten kennenlernen.

Tipp für Leib und Magen: das kasachische Nationalgericht Beschbarmak aus Pferde- und Hammelfleisch, serviert mit Teig und Kartoffeln, im Restaurant „Dastarchan“.

Pavillon Moldau

Der moldauische Pavillon (Foto: Natalia Romanova)

Die Hauptfassade des Pavillons aus dem Jahr 1951 ist mit zehn Flachreliefs geschmückt. Sie stellen die wichtigsten Landwirtschaftszweige der früheren Moldauischen Sowjetrepublik dar. Auch deren Wappen ist vertreten, das sich aus traditionellen Symbolen wie Trauben, Mais und Weizen, Sonnenstrahlen und Sonnenblumen zusammensetzt. Im Pavillon von Moldau sind heute ein kleines Geschäft für Sport- und Wellnessbekleidung und das luxuriöse Restaurant „Leon“ mit europäischer Küche untergebracht.

Tipp für Leib und Magen: das Nationalgericht Mămăligă, ein köstlicher Brei aus Maisgrieß.

Das Restaurant „Leon“ im Moldau-Pavillon (Foto: Natalia Romanova)

Natalia Romanova

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