Das griechisch-russische Tourismusforum in Athen hätte es wohl kaum in die russischen Nachrichten geschafft, wenn Anatolij Waletow nicht wäre. Nach seinem Vortrag zum Tourismus in der russischen Hauptstadt wurde der Vertreter der Moskauer Stadtverwaltung nach möglichen Visaerleichterungen für Touristen gefragt. Seine vielbeachtete Antwort: „Wegen der nationalen Politik sind uns da die Hände gebunden.“
In Moskau werde dennoch über eine Sonderregelung nachgedacht, um Touristen eine dreitägige visafreie Einreise zu ermöglichen, so Waletow. Ein entsprechender Antrag liege bereits beim Außenministerium: „Wie schnell er beantwortet wird, kann ich nicht sagen, aber es gibt definitiv diese Idee“, zitiert ihn RIA Nowosti.
Drei Tage Visafreiheit – anderswo in Russland ist das bereits Realität, allerdings nur bei Einreise per Schiff. In St. Petersburg wurde die Regelung 2010 eingeführt und gilt für den Fährverkehr. Seitdem hat sich die Wirtschaftsleistung des Petersburger Hotel- und Gastronomiegewerbes verdoppelt.
2013 wurde dann in der Regierung über eine gesamtrussische Lösung diskutiert. Mit der Ukraine-Krise verschwand der Plan aber wieder in der Schublade – sehr zum Leidwesen der russischen Tourismusbranche. So berichtete die „Rossijskaja Gaseta“ voriges Jahr, der Verband der Tourismusindustrie habe einen Brief mit der Bitte um Visavereinfachung für EU-Bürger an Sergeij Lawrow, Russlands Außenminister, geschrieben.
Für die Regierung ist das Thema jedoch einstweilen nachrangig. Die für Tourismus zuständige Stellvertreterin des Kulturministers, Alla Manilowa, sagte Anfang November gegenüber TASS, man könne über visafreies Reisen reden, „sobald es die außenpolitische Situation wieder zulässt“. Angesichts des angespannten Verhältnisses zur EU sieht Russland keinen Grund für eine einseitige Liberalisierung.
Dabei könnte ein weniger strenges Visaregime helfen, das touristische Potenzial des Landes besser zu erschließen. „Der Städtetourismus würde durch eine begrenzte Visumsfreiheit auf jeden Fall angeregt werden“, meint Pia Hischke, Marketing-Expertin beim Hamburger Reisespezialisten Go East. Sie weiß auch, dass gerade der für die Visaerteilung notwendige Einkommensnachweis Touristen abschreckt. „Die Beschaffung ist vielen zu umständlich“, sagt Hischke zu den Formalitäten. Anatolij Waletow will also das richtige Projekt anpacken – er braucht aber freie Hand dafür.