Russisch Lambada in der Wüste Moskau

Meine Pechsträhne zieht sich wie ein roter Faden durch den Sommer. Verbissen versuche ich, mich in der Redaktion mit den schönen Seiten Moskaus zu beschäftigen, und finde schließlich einige rar gesäte Oasen.

Meine Pechsträhne zieht sich wie ein roter Faden durch den Sommer. Privat, gesundheitlich und finanziell geht es seit zwei Monaten stetig in eine Richtung: steil bergab. „Geh nicht nach Russland“, haben sie gesagt. „Und ob“, antwortete ich kühn, und jetzt habe ich den Salat. Für einen angeschlagenen Fremdling ist Moskau freilich nicht die beste Wahl. Die Luft ist dünn, die Hektik groß, die Menschen sind kühl und ich bin mittendrin und bemühe mich seit meiner Ankunft krampfhaft darum, mich in diesen Ort zu verlieben. Die erste Ernüchterung erlebe ich direkt, als ich versuche, mein im Intensivkurs angeeignetes Grundwissen der russischen Sprache anzuwenden. Keine Chance! In Moskau wird schnell gesprochen, auch mit motivierten Ausländern. Zeit erscheint als knappes Gut in der russischen Metropole. Der Moskowiter hat es immer eilig und zeigt dies ungeniert in Form von Kurzstreckensprints und Ellbogenkämpfen in der Metro, im Supermarkt und sogar im Park. Auch für ein unverbindliches Lächeln scheint der Tag zu knapp bemessen. Schnell wird man zum Einzelkämpfer. Ich ziehe mir, trotz dreißig Grad, mein dickes Fell über und spiele das Spiel mit – ganz automatisch. Schließlich habe ich einen Job zu erledigen, und der macht mir Spaß.

Der Lamaba-Markt unter der Patriarchenbrücke. Am anderen Ufer die Christ-Erlöser-Kathedrale / Alina Bertels

Der Lamaba-Markt unter der Patriarchenbrücke. Am anderen Ufer die Christ-Erlöser-Kathedrale / Alina Bertels

Verbissen versuche ich, mich in der Redaktion mit den schönen Seiten Moskaus zu beschäftigen, und finde schließlich einige rar gesäte Oasen. So lande ich beispielsweise einen Sonntagnachmittag auf dem Kreativmarkt Lambada im Strelka-Institut. Die Kulisse ist zauberhaft. Der Markt liegt direkt an der Moskwa unter der Brücke zur imposanten Christ-Erlöser-Kathedrale. Die Sonne scheint, es ist warm und ich schlendere völlig zeitvergessen an den zahlreichen Ständen vorbei. Russische Jungdesigner präsentieren hier stolz ihre Kreationen, ein DJ legt elektronische Musik auf und es duftet nach kulinarischen Köstlichkeiten aus allen Ländern. So viele junge, entspannte Menschen auf einem Haufen habe ich bisher in Moskau nicht erlebt. An den Ständen kommt man miteinander ins Gespräch. Man freut sich über die Brocken Russisch, die ich spreche, und kommt mir bereitwillig auf Englisch entgegen. Ich gönne mir israelische Falafel, esse Eis aus einem schwarzen Hörnchen, trinke Bioeistee, probiere Mandelmilch mit indischen Gewürzen und fühle mich pudelwohl. Vollgefuttert rauche ich eine Zigarette und realisiere, warum ich derart aufblühe an diesem Sonntagnachmittag. Ich habe ein Stück Heimat in Moskau entdeckt. Die Themen auf dem Markt sprechen mir aus der Seele: moderne Kunst, Nachhaltigkeit und gesunde Ernährung. Der Lambada-Markt ist ein kleines Hipsterparadies inmitten der Großstadttristesse, die ich bisher erlebt habe. Er ist bunt und offen für alles, sogar für Hundekrawatten. Ich lege für einen Moment mein Fell ab und genieße die Atmosphäre, morgen früh muss ich schließlich wieder mit tausenden von Moskowitern um die Poleposition auf der Metrorolltreppe kämpfen. Widerwillig gestehe ich mir ein, dass Moskau und ich wohl keine dicken Freunde werden. Russland gebe ich so schnell trotzdem nicht auf. Ich verbessere mein Russisch und komme wieder, um mich in eine andere Stadt zu verlieben!

AlinaAlina Bertels
Die studierte Medien- und Kultursoziologin ist Praktikantin bei der MDZ.

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