Russischer Gastgeber sein
Obwohl ich schon lange in Moskau wohne, habe ich noch keine Party in meiner WG geschmissen. Was es heißt, ein russischer Gastgeber zu sein, lernte ich an jenem Abend kennen. Eine Sause in deutschen Wohngemeinschaften läuft normalerweise nach Schema F ab: Man trifft auf eine Vielzahl von interessanten Menschen, trinkt mehr Bier und Wein als man möchte, spricht über Gott und die Welt, löffelt ein wenig vom Nudelsalat, tanzt am Ende wild im Flur herum und kehrt im frühen Morgengrauen zurück.
Doch an diesem Abend kam alles anders. Den feinen Berliner Elektro, den ich auflegte, schien keinen zu
interessieren. Selbst der Alkohol kam nicht an! Dabei hatte ich doch die 40 Bierflaschen liebevoll zum Kühlen in die Badewanne gelegt. Es war wie verhext – die Party spielte sich ausschließlich in einem Raum ab: der Küche. Die Gäste standen um den Küchentisch und aßen die von meinem Mitbewohner und mir im Akkord gebackenen Pizzen. Irgendwann nach Mitternacht bekam ich einen Muskelkater vomTeig kneten. Nach der Arbeit war ich schon zu müde zum Feiern. Ein Alptraum. „Die Küchenparty ist eine Tradition aus Sowjetzeiten“, erklärt mir mein Mitbewohner Schenja.
Im Herbst brachte er Pasta Madre (zu deutsch: Mutterteig) aus Italien mit, die er seitdem sorgsam für diese Anlässe züchtet. Bis die Pizza im Magen landete, war auch meine romantisierte Vorstellung von der WG-Party gegessen. Resümee des Abends: Russische WG-Parties bedeuten vor allem eines: Essen. Das gibt es nur für die Gäste. Der Gastgeber darf dagegen schuften.
Ein Spiel ohne Tore
Der russische Fußball hat mein Interesse an seiner höchsten Profiliga erfolgreich eingeschläfert. Von der Aufbruchsstimmung des vergangenen Jahrzehnts, als ZSKA Moskau und Zenit St. Petersburg den Uefa-Cup gewannen und Russland bei der EM 2008 Dritter wurde, ist wenig geblieben. Bei der EM 2016 musste die „Sbornaja“ nach trister Leistung frühzeitig die Segel streichen, was auch das Niveau im nationalen Spielbetrieb widerspiegelte. Das heißt andererseits natürlich nicht, dass es nicht den einen oder anderen Lichtblick gäbe.
Sportlich haben sich zuletzt der FK Rostow und FC Krasnodar aus Südrussland in den Vordergrund gespielt, Spartak Moskau ist als Tabellenführer drauf und dran, sein Trauma von 15 Jahren ohne Meistertitel zu besiegen. Und dann wird im Gastgeberland der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 ja derzeit alle paar Monate ein neues Stadion eröffnet. Manche davon sind bei der WM als Spielorte vorgesehen. Die „Arena ZSKA“ des amtierenden russischen Meisters wurde nach neun Jahren Bauzeit erst letzten Sommer fertig.
Der Rückrunden-Start nach der Winterpause war Anfang März ein guter Grund für mich, sie in Augenschein zu nehmen und nach fast zwei Jahren wieder einmal ein Spiel der „Premier-Liga“ anzuschauen. An der Kasse entschied ich mich eine halbe Stunde vor Anpfiff für die zweitbilligste Kategorie zum Preis von umgerechnet 40 Euro und hoffte, das Top-Duell zwischen ZSKA und Zenit würde das Geld wert sein. Leider war es dann nicht der Rede wert (0:0). Doch das Stadion selbst, mit 26 800 Zuschauern gut gefüllt, lohnte den Besuch trotzdem: steile Tribünen, gute Sicht, tolle Akustik. Auch architektonisch hat das Schmuckkästchen mit eingebautem Büroturm etwas zu bieten.
Café der Geschichten
Es gibt in Moskau etwas Neues: Das Story-Café. Es ist ein Treffen von Unbekannten, die sich bei einer Tasse Tee oder Kaffee Geschichten aus dem eigenen Leben erzählen. Ein bisschen wie bei den Anonymen Alkoholikern. Manche erzählen, was sie im Moment belastet. Andere teilen ihre Lebenserfahrung oder suchen interessante Bekanntschaften.
In einem separaten Raum eines Anti-Cafés in der Baumanskaja Gasse treffe ich auf Jung und Alt. Mir gegenüber sitzt ein Mädchen mit blauen Haaren, daneben eine ältere Dame mit grauen Haaren, die vergnüglich einen Keks in ihren Tee tunkt.
Die Moderatorin des Abends eröffnet das Gespräch und erzählt von ihrer misslungenen Reise an den Baikalsee. Von da an greift eine Geschichte in die andere, obwohl sie thematisch nicht zusammenpassten: Von Reisezielen, über traumatische Kindheitserfahrungen hin zu merkwürdigen Träumen und ihren Bedeutungen. Am Ende erklärt ein Pathologe, wie man feststellt, ob ein Tod durch Gewalteinwirkung eintrat und Oma Galina Iwanowna erzählte, wie ein auf einer Müllhalde gefundenes Buch mit Sprichwörtern ihr Leben veränderte.
Die Initiatorin Anastassija Torschina brachte die Idee des Story-Café aus Amsterdam nach Moskau. In der holländischen Hauptstadt finden die Gesprächsrunden allerdings in Bars statt – bekanntlich spinnen sich die besten Geschichten unter dem Einfluss von Alkohol zusammen. Die russische Variante fällt dagegen heimeliger aus. Die Atmosphäre hängt allerdings immer von der Gruppe ab. Manchmal kann es zum Schreien komisch sein und das nächste Mal versonnen nachdenklich.
Den Sternen so nah
Als ich mir auf meinem Sitz im Moskauer Planetarium bequem mache und in den Sternenhimmel blicke, kommt mir Hubert
Kahs 80er-Hymne „Sternenhimmel“ in den Sinn. Erst dann realisiere ich, dass um mich herum nur knutschende Pärchen sitzen. Mit dem Wort Planetarium assoziierte ich immer Stephen Hawking und naturwissenschaftliche Erklärungen, wie unser Universum entstanden ist. Aber nicht einen beliebten Treffpunkt für Rendezvous.
Trotz Knutsch-Geräuschen habe ich es geschafft, mich auf die Projektion zu konzentrieren. Denn diese ist faszinierend. Nicht nur, weil man wirklich das Gefühl hat, in einer lauen Sommernacht auf der Wiese zu liegen und in den Sternenhimmel zu blicken. Man lernt dabei auch was. Die Sterne, die wir sehen, das ist Vergangenheit – nicht die Zukunft. Das Funkeln am Firmament ist mehrere 1000 Jahre von der Erde entfernt. Und je stärker sie leuchten, desto älter sind sie. Diese Aha-Effekte gibt es während der gesamten Vorführung.
Die Vorstellung im großen Sternensaal kostet 600 Rubel. Im Preis inbegriffen ist auch der Museumsbesuch samt Führung. Möchte man nicht hungrig in die Sterne schauen, kann man sich im Automaten Austronautennahrung kaufen. Wer es musikalischer mag, dem sind die einmal im Monat stattfindenden Pink Floyd-Vorstellungen, bei denen die Platten „The Wall“ und „The Dark Side of The Moon“ gespielt werden, zu empfehlen.
Lizenz zum Schwimmen
Für viele Deutschen ist ein Besuch im Schwimmbad nichts Außergewöhnliches. In Russland aber schon. Das fängt schon damit
an, dass man ein Gesundheitszeugnis vom Arzt braucht. Eine Tatsache, die viele Ausländer erstaunt. Und wenn mandann mal ein Attest hat, kommt die nächste Überraschung an der Kasse: ein satter Preis für eine Stunde schwimmen. Zwischen 400 und 600Rubel kostet das Vergnügen.
Meine Wahl fiel auf das Olympiazentrum für Wassersport, neben der Metrostation Partisanskaja, das über ein Außenbecken verfügt. Die Moskowiter nennen das Schwimmbad liebevoll „Neptun“. Hier trainieren Athleten für die nächsten Wettkämpfe. Aber auch Normalsterbliche dürfen ihre Bahnen ziehen.
Das Schwimmbad verfügt über drei Becken: Eine nicht überdachte 50-Meter-Bahn und zwei 25-Meter-Bahnen im Innenbereich. Außerdem gibt es noch zwei Kinderbecken und einen Trainingsraum. Das Außenbecken ist ganzjährig geöffnet: Im Winter beheizt und im Sommer ein kühles Nass. Eine tolle Kombination, für die sich der Mehraufwand lohnt.