„Quiet Life“: Zwischen bösem Russland und bösem Westen

Bei den Filmfestspielen von Venedig lief die internationale Co-Produktion „Quiet Life“ mit den prominenten russischen Darstellern Tschulpan Chamatowa und Grigori Dobrygin in den Hauptrollen. Der Film thematisiert die Alltagsbürokratie, mit der sich Zuflucht Suchende im Westen konfrontiert sehen.

Familie Galizyn wartet auf ihre Einbürgerung in Schweden (Ausschnitt aus dem Film, labiennale.org)

Bei den Filmfestspielen von Venedig lief die internationale Co-Produktion „Quiet Life“ mit den prominenten russischen Darstellern Tschulpan Chamatowa und Grigori Dobrygin in den Hauptrollen. Der Film thematisiert die Alltagsbürokratie, mit der sich Zuflucht Suchende im Westen konfrontiert sehen.

Das Politische im Horror

Sergej Galizyn (Grigori Dobrygin), ein Lehrer, ist mit seiner Frau Natalia (Tschulpan Chamatowa) und seinen beiden Töchtern Alina (Naomi Lamp) und Katja (Miroslawa Paschutina) Mitte der 2010er Jahre von Russland nach Schweden gezogen. Sie sind politische Emigranten – für Sergej war es wegen seiner kritischen Äußerungen gefährlich, in Russland zu bleiben. Die Familie hoffte, dass sie in Schweden ein ruhiges und glückliches Leben führen könne. Sergej bekam eine Stelle als Hausmeister am Konservatorium. Natalia kümmerte sich um das Haus. Die Mädchen gingen zur Schule, zum Musik­unterricht und zum Sport. Sie sprachen bereits gut Schwedisch. Katja überlegte, welchen Namen sie annehmen wird, wenn sie Schwedin wird. Vielleicht Astrid.

Ihre Hoffnungen werden jedoch zerstört, als ihnen die schwedische Staatsbürgerschaft verweigert wird. Die Beamten behaupten, die Familie hätte nicht genügend Beweise dafür vorgelegt, dass sie in ihrem Heimatland in Gefahr sei. Katja könnte bestätigen, dass ihr Vater vor ihren Augen angegriffen wurde. Doch bevor sie dies tun soll, fällt sie plötzlich ins Koma. Der Zustand wird „Child Resignation Syndrome“ genannt. Die Ärzte haben den Eltern erklärt, dass dies mit dem Verlust des Sicherheitsgefühls zusammenhängt.

Lächeln lernen

Jetzt müssen Natalia und Sergej alles tun, um eine Atmosphäre der Stabilität zu schaffen und ihre Tochter zu retten. Zum Beispiel lernen sie zu lächeln. Oder besser gesagt, man lehrt sie zu lächeln. Obwohl ihnen gar nicht nach Lächeln zumute ist. Sergej beschließt, dass Alina anstelle von Katja aussagen soll. Alina beginnt bereits, ihre Rolle anzunehmen. Aber auch sie fällt in ein Koma. In Schweden gibt es tatsächlich Hunderte von Kindern, vor allem Migrantenkinder, die unter diesem Syndrom leiden. Alexandros Avranas, der griechische Regisseur von „Quiet Life“, sagt, dass es dieses Thema war, das ihn dazu veranlasste, einen Film zu drehen.

Zu den Ländern, die an der Produktion des Films beteiligt waren, gehören neben Griechenland auch Deutschland, Frankreich, Finnland, Estland und natürlich Schweden. Der Film wurde bei den Filmfestspielen von Venedig in der Sektion „Orizzonti“ uraufgeführt. Die unabhängige Jury von Interfilm zeichnete das Drama mit dem Preis „Für die Förderung des interreligiösen Dialogs“ aus.

Gibt es eine Hoffnung?

Es ist unwahrscheinlich, dass „Quiet Life“ in Russland gezeigt wird. Tschulpan Chamatowa verließ das Land nach Februar 2022. Sie lebt jetzt in Lettland und wurde in Russland wiederholt für ihre Äußerungen über Russland und den russisch-ukrainischen Konflikt kritisiert. Grigori Dobrygin, der bei der Berlinale den Silbernen Bären für seine Rolle in „How I Ended This Summer“ erhielt, lebt zwischen Berlin und Los Angeles. Im Jahr 2022 hat er sich offen für die Ukraine ausgesprochen.

Doch wie ein Filmkritiker in Russland schrieb, spielt „Quiet Life“ der russischen Propaganda in die Hände. Schließlich geht es darum, dass Russen, auch solche, die die russische Regierung kritisieren, im Westen nicht willkommen sind. Was sie dort erwartet, sind Bürokratie, Arbeitslosigkeit und andere Probleme. Gibt es dort überhaupt Hoffnung auf ein ruhiges Leben für sie? Das Finale des Films deutet es an.

Olga Silantjewa

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