Innerhalb kurzer Zeit kam in es Russland zu zwei Bränden in Einkaufszentren. Am 25. März kamen beim Brand des Einkaufs- und Vergnügungszentrum „Winterkirsche“ in Kemerowo in 64 Menschen, darunter 41 Kinder, ums Leben. Am 4. April starb ein Mann bei einem Feuer in einem Lagerraum des Moskauer Shoppingcenters „Perseus für Kinder“. Diese Tragödien führen zu der Frage, ob in Russland genügend für die Sicherheit in öffentlichen Gebäuden getan wird.
Offiziell sind die Bestimmungen sehr streng
Der Brandschutz in öffentlichen Gebäuden besteht aus zwei Säulen, wie Peter Knoch, Leiter des Moskauer Architekturbüros mplus, erklärt. Eine Säule bildet der sogenannte bauliche Brandschutz, also Treppen, Korridore und Fenster. Die zweite Säule besteht in der Brandschutztechnik. Beide sind dabei unabhängig voneinander zu betrachten.
Was die baulichen Anforderungen betrifft, so sind diese in Russland laut Gesetz sogar strenger als in Deutschland, wie Knoch betont. Soll heißen, dass mehr und breitere Fluchtwege verlangt werden. Allerdings ist solch eine Bauweise auch mit Kosten verbunden. Es geht vor allem um Fläche, die nicht vermietet werden kann. Daher versuchen einige Betreiber von Einkaufszentren, bereits im Projektstadium Änderungen vorzunehmen, um die Ausgaben für den Brandschutz niedrig zu halten. Dabei wird durchaus auch getrickst. So wird versucht, die Architekten zu illegalen Maßnahmen zu verleiten.
Das Hauptproblem, dass zu Bränden wie in Kemerowo und Moskau führt, ist aber weniger die Architektur als der Betrieb eines Einkaufszentrums. Zu oft wird am Personal gespart und auch Brandschutzübungen werden nicht durchgeführt. Zudem wird die Schutztechnik nicht selten manipuliert. Problematisch ist auch die Korruption. Immer wieder gibt es Fälle, in denen sich die Betreiber von Einkaufszentren eine Bescheinigung über den tadellosen Zustand ihres Konsumtempels erkauft haben. Andererseits, und das ist positiv, wurden bereits Einkaufszentren nach einer Inspektion geschlossen, sagt Knoch.
Das Problem ist bereits länger bekannt
Das Problem des unzureichenden Brandschutzes ist kein neues, es wurde durch die Katastrophen bei der Bevölkerung lediglich schmerzhaft in Erinnerung gerufen. Bereits Ende 2017 rief die Gilde der nichtstaatlichen Sicherheitsstruktur der Moskauer Industrie- und Handelskammer daher das Projekt „Sicheres Einkaufszentrum“ ins Leben und richtete am 21. März dieses Jahres eine Hotline ein, bei der die Moskauer Verstöße gegen den Brandschutz melden und eigene Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit einreichen können. Der Projektkoordinator Wladimir Kaschirow erklärte in einer Pressemitteilung, dass man mit Hilfe der Hotline ein qualitatives Feedback der Moskauer bekommen wolle, um so ein objektives Bild zur Sicherheit in den Einkaufszentren der Stadt zu erhalten. Als Ergebnis des Monitorings soll ein Rating entstehen, dessen Sieger feierlich gekürt wird.
Nach dem Brand in Kemerowo stieg die Zahl der Anrufe bei der Hotline stark an, mittlerweile sind über 270 Hinweise eingegangen, und das nicht nur aus Moskau, sondern aus ganz Russland, sogar aus dem Fernen Osten. Auf Grundlage der Anrufe werden die Einkaufszentren für die Kontrolle ausgewählt. In Moskau waren es bisher knapp ein Dutzend.
Mittlerweile gibt es eine Welle von Kontrollen
Auch das Katastrophenschutzministerium ist mittlerweile aktiv geworden und hat landesweit 8 500 Einkaufszentren, Restaurants, Hotels, Krankenhäuser, Konzertsäle sowie Ausstellungs- und Sportplätze untersucht. Bis Ende April sollen noch einmal so viele Einrichtungen kontrolliert werden. Insgesamt wurden dabei in jedem fünften Gebäude Verstöße gegen die Brandschutzbestimmungen festgestellt.
Dmitrij Galotschkin, Vorsitzender der Gilde der nichtstaatlichen Sicherheitsstruktur, setzt auf öffentliche Vorführung. Die Aufgabe bestehe darin, die Kontrollen publik zu machen. Der Druck soll die Eigentümer der Einkaufszentren dazu bewegen, die Mängel auch wirklich zu beseitigten. Daher solle jede Inspektion in Anwesenheit von Journalisten staatlicher Medien durchgeführt werden, sagte Galotschkin auf einer Sitzung zum Thema „Sicheres Einkaufszentrum“ am 4. April.
Viele Russen halten diese Kontrollen für eine öffentlichkeitswirksame Inszenierung. In sozialen Netzwerken rufen sie dazu auf, ins nächstgelegene Einkaufszentrum zu gehen und selbst zu kontrollieren, ob es Feuerlöscher und Atemschutzmasken gibt und wann die Alarmanlage das letzte Mal kontrolliert wurde.
In der Duma wurde derweil der Vorschlag geäußert, dass man die Sicherheit von Einkaufszentren erhöhen könne, indem man alle Vergnügungselemente ins Erdgeschoss verlagere. Peter Knoch meint allerdings, dass solch ein Umbau unrealistisch sei. Die Kosten dafür wären viel zu hoch. Und auch bei Neubauten wird sich solch eine Konzeption nicht durchsetzen. Denn für die Betreiber würde es sich nicht lohnen. Im Erdgeschoss befinden sich die teuren Geschäfte. Den Kunden, die bereit sind, viel Geld für exklusive Markenware auszugeben, sei es nicht zuzumuten, bis ins Dachgeschoss hinaufzufahren. Der Kunde soll König bleiben, zumindest derjenige, der gut zahlt. So bleibt für alle, die shoppen gehen und Spaß haben wollen, nur die Hoffnung, dass der Betreiber ihres Einkaufszentrums die Brandschutzbestimmungen einhält.
Daniel Säwert