Telegram: Der vielleicht beste Messenger der Welt

Er kommt ganz schlicht daher, übertrumpft mit seinen Funktionen jedoch die Konkurrenz. Und selbst die hochgelobten Hacker der russischen Regierung können ihm nichts anhaben. Telegram ist kein Messenger wie jeder andere.

In guter Gesellschaft: Telegram-App auf einem Smartphone © pixabay / LoboStudioHamburg

Die zwischenmenschliche Kommunikation wandelt sich. Dazu gehört auch, dass sie zunehmend über Messenger-Dienste verläuft. Dutzende Plattformen gibt es weltweit und seit 2013 mit Telegram auch eine russische. Damals präsentierten die Brüder Nikolaj und Pawel Durow, die zuvor bereits das erfolgreiche soziale Netzwerk VKontakte gegründet hatten, den vielleicht besten Messenger der Welt. Mit 100 Millionen Nutzern weltweit wartet der noch auf den ganz großen Durchbruch, doch die Wachstumszahlen sind beachtlich, vor allem in Russland. Hier hatte nach einer Untersuchung des Moskauer Instituts für Moderne Me­dien Anfang 2018 jeder fünfte Befragte Telegram installiert. Das war eine Verdoppelung gegenüber dem Jahr zuvor. Und auch der Datenverkehr legte in diesem Zeitraum um ein Drittel zu.

Mehrere tausend Kanäle

Für den Erfolg gibt es Gründe. Der wichtigste sind die Kanäle, die jeder Nutzer seit 2016 einrichten kann und die in dieser Form einmalig sind. Daniil Trabun, der damalige Chefredakteur des Journals Afisha.ru, bezeichnete Telegram in einem Beitrag 2016 als Mikrosozialnetz. Für ihn waren die Kanäle die neuen Blogs. Nur ohne Design­elemente und ohne Internet-URL. Kanal-Betreiber Grigorij Prorokow sprach außerdem davon, dass Telegram mit den Kanälen quasi einen Schritt rückwärts an den Anfang der 2000er Jahre gemacht habe, in eine Zeit, in der man noch alles selbst gestalten konnte. Das Beste an den Kanälen ist jedoch für beide, dass die Beiträge nicht kommentiert werden können und so das lästige Moderieren entfällt.

Innerhalb weniger Jahre haben sich die Telegram-Kanäle zu einem vollwertigen Informations-Ökosystem entwickelt – es gibt sie von spanischer Geschichte bis zu japanischer Dichtkunst. Nach Angaben von Telegram sind es mittlerweile über 23.000, davon ungefähr 400 politische und gesellschaftliche. Eben diese sind zu einem regelrechten Ventil avanciert. Beispielhaft steht dafür der Kanal „Stalingulag“. Im Mai 2019 lasen nach Angaben des Monitoring-Anbieters Medialogija 380.000 Follower, wie der Autor die Zustände in Russland kritisiert.

„Stalingulag“ entfaltet seine Anziehungskraft nicht nur durch den Inhalt. Vulgärsprache und Schimpfwörter kommen oft vor, was im russischen Medienbereich mittlerweile ungewöhnlich ist. Zudem schaffte es der Autor, der 27-jährige Alexander Gorbunow aus der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala, unerkannt zu bleiben. Erst im Mai gab er in einem Interview mit der britischen BBC seine Identität preis. Damit nutzte Gorbunow einen der Vorteile von Telegram aus: Der Messenger bietet absolute Anonymität. Die Möglichkeit, Telefonnummern, Spitznamen und die Namen der Domain problemlos zu ändern, ist für die Sicherheitsbehörden ein Graus. Denn dadurch werden die Autoren und andere Nutzer praktisch unauffindbar.

Aufsichtsbehörde blamiert sich

Die Erfahrung musste bereits Roskomnadsor, die russische Aufsichtsbehörde für Massenmedien und Datenschutz, machen. Weil der Anschlag auf die St. Petersburger Metro 2017 angeblich über Telegram verabredet worden war, forderte sie Zugang zur Datenverschlüsselung, zuletzt auch mit gerichtlicher Rückendeckung. Als Telegram sich weigerte, begann eine groß angelegte Aktion, mit der sich die Behörde jedoch vor allem jede Menge Spott zuzog und den Ärger vieler Geschäftsleute, weil plötzlich auch andere Seiten lahmgelegt wurden. Alles vergeblich, da Telegram die Informationen der Nutzer und die Gesprächsprotokolle nicht auf den Endgeräten lagert, sondern auf Servern überall in der Welt.

Eine Sperrung scheint inzwischen gar nicht mehr realistisch zu sein. Denn sogar auf oberster politischer Ebene hat der Messenger seine Anhänger. So gilt der Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow als fleißiger Nutzer. Und auch der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow hat einen eigenen Telegram-Kanal.

Daniel Säwert

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