Kräutersalz und neugierige Berliner

Rund 400.000 Besucher und 1750 Aussteller aus 61 Ländern: Die weltgrößte Agrarmesse „Grüne Woche“ in Berlin war in auch diesem Jahr in Publikumsmagnet. Viele russische Hersteller nutzen die Agrarschau, um gesunde und leckere Lebensmittel vorzustellen. Die MDZ hat sich an den Ständern durchprobiert und mit den Anbietern gesprochen.

Bislan Chuaschjew (links) verkauft traditionelles Kräutersalz aus der kleinen Republik Adygeja. / Foto: Birger Schütz

„Probieren Sie ruhig, davon wird man hundert Jahre alt“, ruft Bislan Chuaschjew und winkt ein etwas skeptisch dreinschauendes älteres Ehepaar mit einer ausladenden Handbewegung an seinen Stand in Messehalle 2.2 am Berliner Funkturm. Akkurat nebeneinander aufgereiht liegen dort mehrere Plastiktütchen mit einer undefinierbaren grünen Mischung, die trotz der luftdichten Verpackung einen würzig-aromatischen Duft verströmt. In einem Schälchen hat Chuaschjew einen Quark mit dem Pulver angerührt. Die Besucher tunken vorsichtig Holzspießchen mit kleinen Brotwürfeln in die Mischung. „Lecker“, sagt der Mann zu seiner Frau und zückt sein Portemonnaie. Bislan Chuaschjew lächelt zufrieden.

Würziges Salz aus Russlands Süden

„Das ist Kräutersalz“, erklärt der Unternehmer, der in der kleinen Republik Adygeja in Russlands Süden das Unternehmen „Adyjgeja-Salz“ führt, welches traditionelle Gewürzmischungen produziert. „Nach uralten Rezepten von meinen Großeltern und Urgroßeltern! Zuhause essen wir nichts anderes.“ Ob man von dem Gewürz wirklich hundert Jahre alt wird? Der Unternehmer grinst verschmitzt und kratzt sich am Kopf. „Aber natürlich! Das ist das Geheimrezept der Langlebigkeit im Kaukasus!“, sagt er dann. „Da sind viele nützliche Sachen wie Spurenelemente und Mineralien drin.“
Stammkunden gieren nach Nachschub

Nach Berlin komme er bereits zum sechsten Mal, erzählt Bislan Chuaschjew. „Ich habe hier schon Stammkunden. Die holen sich jedes Jahr Nachschub.“ Auch etwa 50 weitere russische Hersteller sind in der zweiten Januarhälfte wieder zur „Grünen Woche“, der weltgrößten Agrarmesse, nach Deutschland gereist. Mit vielen Kostproben und Köstlichkeiten wollen die Firmen aus Städten wie Stawropol, Kaliningrad, Saratow oder der Republik Tatarstan die Deutschen für ihre Produkte begeistern. Das Angebot reicht dabei von ökologisch unbedenklichen Knabbereien bis zu deftigem russischen Schweinefleisch.

„Das schmeckt alles sehr gut“, findet Klaus Wotscheck, der sich am Stand des Stawropoler Gebietes gerade einmal quer durch die Palette aus scharf gewürzten Speckspießen, sauer eingelegten Gurken und dunklem Schwarzbrot kostet. In die russische Halle habe er es zum ersten Mal geschafft, erzählt der Rentner, der die „Grüne Woche“ immer besucht, wenn es seine Zeit zulässt. „Vor allem die Buchweizengrütze mit den Pilzen war toll“, sagt der Berliner, der auf den Geschmack gekommen ist. Im nächsten Jahr wolle er jedenfalls wiederkommen, kündigt Klaus Wotscheck an und verschwindet zum Nachbarstand der Republik Tatarstan.

Die Deutschen trinken alles

„Bei uns gibt es Wodka – pur, mit Kräutern oder mit Moosbeerengeschmack“, erklärt dort Katja Malisjewa vom Hersteller „Tatspirtprom“ aus Kasan an der Wolga. Am besten kämen bei den Messebesuchern bisher die pure und die Beerenvariante der russischen National-Spirituose an, erzählt die junge Frau und muss lachen. „Aber eigentlich trinken die Deutschen alles“, platzt es aus ihr heraus. Und tatsächlich hat sich vor dem Stand eine Traube aus neugierigen Messebesuchern gebildet, welche die bunten Etiketten der Spirituosen begutachten und aus kleinen Wodkagläsern nippen. „Schmeckt wie ein leichter Schnaps – und irgendwie nach Kartoffel“, findet Frank Kreutzpaintner, der gerade einen Wodka der Marke „Tundra“ heruntergestürzt hat. „Ich hab gehört, dass hilft gegen Mücken“, erzählt der gut gelaunte Bayer, der Russland bei einer Sibirien­reise näher kennengelernt hat. Und obwohl an diesem kalten Januartag keine einzige Mücke durch die Messehallen schwirrt, genehmigt sich Frank Kreutzpaintner gleich noch einen zweiten Wodka. Diesmal mit der Geschmacksrichtung Moosbeere. „Die schmeckt nicht süß, sondern nur ein bisschen fruchtig“, erklärt Katja Malisjewa und gießt die rot schimmernde Spirituose in ein Gläschen. Tatsächlich bleibt nur ein frischer Geschmack im Mund zurück.

Süßes Fruchtgelee und Baiser aus der Kleinstadt Beljow, etwa 250 Kilometer südlich von Moskau. / Foto: Birger Schütz

Süße Spezialität aus Fruchtpüree

Weniger hochprozentig ist das Angebot am Stand des Süßwarenherstellers „Beljower Pastila“ ein paar Meter weiter. Auf dem weißen Messetisch stapeln sich in vier Lagen grüne und rote Verpackungen mit traditionellen russischen Naschereien wie Fruchtgelee, Baiser und der berühmten Pastila, einer Art Kuchen aus getrocknetem Fruchtpüree. Die Spezialität stammt aus der Kleinstadt Beljow, etwa 250 Kilometer südlich von Moskau. „Trauen Sie sich“, sagt Nikolaj Semernja und reicht einen Teller mit süßen Feigen und roten Baiserstückchen mit Bratapfelgeschmack herüber. Die Früchte und das mit Puderzucker überzogene Gebäck zergehen förmlich auf der Zunge. „Unsere Süßigkeiten kommen bei den Deutschen gut an. Die Leute probieren und kaufen viel“, erzählt der Projektdirektor der traditionsreichen Fabrik, die im Jahre 1881 gegründet wurde. Wie zum Beweis stopft eine zufriedene Kundin gerade fünf Schachteln mit verschiedenen Süßigkeiten in ihre Tasche. Zudem seien die Messebesucher offener und toleranter geworden, findet Semernja, der schon zum vierten Mal an der „Grünen Woche“ teilnimmt. Nach der Krim-Krise im Jahr 2014 seien die Deutschen mit gesenkten Köpfen und schweigend am russischen Messestand vorbeigeschlichen, erinnert sich Nikolaj Semernja. „Jetzt nicken die Leute und lächeln uns offen zu!“

Birger Schütz

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