Kein Durchkommen: „Sonstiges“ bremst Pakete aus

Paketsendungen von Russland nach Deutschland erreichen offenbar häufig, wenn nicht sogar massenhaft ihre Empfänger nicht. Was ist da los?

In einer Filiale der Russischen Post in Moskau (Foto: Tino Künzel)

MDZ-Redakteurin Olga Silantjewa wollte Freunden in Deutschland zu Weihnachten eine Freude machen. Am 2. Dezember 2022 gab sie in einer Moskauer Filiale der Russischen Post zwei Pakete auf. Beide enthielten Christbaumschmuck in Form von Holzfiguren, russisches Konfekt, Pastila, Pinienkerne, Socken und Bücher. Olga hatte eine Aufstellung des gesamten Inhalts sowie eine Übersetzung ins Englische dabei. Die Zollinhaltserklärung, Eingeweihten unter dem Kürzel CN23 bekannt, füllte der Schalterbeamte selbst aus. Die Übersetzung beachtete er nicht, verfasste die Inhaltsangabe auf Russisch, wenn auch in lateinischen Buchstaben.

Dass in einem der Pakete drei Naturkosmetikprodukte – eine Dose Sanddorncreme für die Haare, eine Tube Rasierschaum und eine Packung Badesalz – steckten, hatte Olga bewusst verschwiegen, um keine schlafenden Hunde zu wecken. Ihr war bekannt, dass Kosmetika aus Russland auf der EU-Sanktionsliste stehen. Aber war es nicht ein wenig kurios, wenn damit nicht nur Einfuhren im industriellen Maßstab gemeint sein sollten, sondern auch persönliche Hygiene­artikel wie die Rasierpflege aus Taiga-Kräutern „für echte Männer“? Welche politische Absicht würde damit bezweckt? Jedenfalls beschloss Olga, es auf einen Versuch ankommen zu lassen und die Sache nicht an die große Glocke zu hängen.

„Unvollständige oder falsche Dokumente“

Der Versand der 2,5 Kilo schweren Pakete kostete umgerechnet gut 60 Euro. Ihr weiteres Schicksal konnte per Sendeverfolgung im Internet nachvollzogen werden. Um es kurz zu machen: Am 3. Januar trafen beide Pakete im Brief- und Paketzentrum der Deutschen Post in Leipzig-Radefeld ein. Von dort wurden sie an die Zollstelle weitergereicht. Daraufhin tauchten in der Sendeverfolgung der Russischen Post die Nachrichten „Unvollständige oder falsche Dokumente“ und „Dokumente an den deutschen Zoll übermitteln“ auf. Ein Paket – das mit den Kosmetika – kam Ende Februar mit dem Vermerk „Sonstiges“ wieder in Moskau an. Vom zweiten Paket fehlte bis Ende März jede Spur. Dann tauchte es wieder auf und wurde ebenfalls zurückgeschickt.

Eines der beiden Pakete, die es nicht zum Empfänger in Deutschland schafften (Foto: Olga Silantjewa)

Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Olga weiß inzwischen, dass auch Holzfiguren aus Russland unter die Sanktionen fallen. Aber ob es daran gelegen hat, dass die Pakete nicht zugestellt wurden, ist ungewiss. In ihrer Postfiliale gab es die Auskunft, dass jedes zweite Paket nach Deutschland wieder in Russland lande. Es braucht keine fünf Minuten, um im Internet auf Chats zu stoßen, die durchaus den Eindruck erwecken, dass das stimmen kann. Russen, die Pakete verschickt haben, die gegen die Wand liefen, irgendwann wieder zu Abholung bereit lagen, wobei noch einmal hohe Kosten entstanden, klagen sich gegenseitig ihr Leid. Man spürt den Frust und die Ohnmacht. Was hat man vielleicht falsch gemacht? Was kann man beim nächsten Mal besser machen? „Sonstiges“ als Rücksendungsgrund gibt darüber keinen Aufschluss.

Es klemmt schon seit Jahren

Weder bei der Russischen Post noch bei der besagten Postfiliale ist man sich auf Nachfrage irgendeiner Schuld bewusst. Auf der Webseite von DHL findet sich ein „Aktueller Hinweis“, dass es „derzeit“ zu vermehrten Rücksendungen von Paketen aus Russland komme. Grund seien „zollrechtliche Aspekte“ wie eine Zollinhaltserklärung in kyrillischer Schrift und nicht auf Englisch, Französisch oder Deutsch. Der Hinweis ist allerdings schon zwei Jahre alt. Und im deutsch-russischen Paketverkehr knirscht es offenbar mindestens seit 2020.

Der Zoll in Radefeld verweist per Anrufbeantworter an die DHL-Zentrale in Bonn, wo man aber auch nicht wirklich weiterhelfen kann. Postsprecher Alexander Edenhofer verweist gegenüber der MDZ darauf, dass seit 2021 laut EU-Zollindex auch für Postsendungen eine elektronische Zollanmeldung erforderlich ist und natürlich die Sanktionen unbedingt zu beachten seien. Eines schließt er explizit aus. Die Deutsche Post könne sich zwar in Einzelfällen mit dem Empfänger in Verbindung setzen. Doch dass Dokumente vom Absender angefordert würden und nachgereicht werden sollten, wie in der Sendeverfolgung der Russischen Post vermerkt, sei „nicht vorgesehen“.

Tino Künzel

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