Die unendliche Geschichte: Katharina die Große und ihre Zeit im Heute

Die deutsche Zarin machte Russland groß und stark. Aber was ist von Katharina der Großen und ihrer Epoche heute noch aktuell? Was wirkt nach, was verbindet ihre Zeit mit unserer? Diese Frage hat die MDZ auf dem vierten Großen Katharinenball gestellt, der Mitte September wie gewohnt im Moskauer Schloss Zarizyno stattfand.

Olga Martens, Direktorin des Großen Katharinenballs, Stellvertretende Vorsitzende des Internatio­nalen Verbandes der Deutschen Kultur
Uns ist der Name von Katherina der Großen heute in vielerlei Hinsicht teuer. Die Idee der Aufklärung, ihr Wirken in diesem Sinne – das ist es, was wir aus jener Epoche übernehmen können, was Menschen dazu motiviert, etwas aus sich zu machen. Für ein Land ist es sehr wichtig, dass seine Bürger sich entfalten können, dass sie eine anständige Bildung erhalten, Religionsfreiheit genießen.
Aber der Name von Katharina klingt für uns auch im Kontext des Umgangs mit anderen Nationen nach. Sie war eine Frau, die meiner Meinung nach die russische Seele verstanden hat, die Teil des russischen Volkes zu werden vermochte. Daran sollten wir uns heute erinnern. Denn noch immer sind viele Menschen, darunter auch die Russlanddeutschen, damit konfrontiert, dass ihnen Vertreter anderer Kulturen mit Misstrauen begegnen. Wir müssen im heutigen Russland stark darauf hinarbeiten, dass die kulturellen Traditionen von Völkern, mit denen man zusammenlebt, angenommen werden.

Andreas Dittmann, Bürgermeister von Zerbst/Anhalt, der einstigen Residenzstadt der Fürsten von Anhalt-Zerbst, dem Adelsgeschlecht, aus dem Katharina stammte
Die Persönlichkeit der Katharina der Große ist ein wichtiges Verbindungsglied zwischen Deutschen und Russen. Der Große Katharinenball zu ihren Ehren sendet ein Signal, das wir genau jetzt brauchen: dass uns viel mehr verbindet, als uns trennt.

Zeitreise: Der Große Katharinenball lässt das alte Russland wiederauferstehen. © Sergej Kusmin

Nina Lochtatschjowa, Gravierkünstlerin, Vorsitzende der Künstlervereinigung der Russlanddeutschen (TORN)
Von Katharina der Großen können wir lernen, wie man die Macht seines Landes festigt. Unter ihr war die Autorität Russland unwahrscheinlich hoch. In dieser Beziehung kann das 18. Jahrhundert als Vorbild dienen, verglichen mit heute. Sie war ein sehr moderner Mensch für ihre Zeit, ihre Politik war modern und ihr Vermächtnis ist auch heute aktuell.

Annegret Mainzer, Vorstandsmitglied des Internationalen Fördervereins Katharina II. aus Zerbst/Anhalt
Auf dem Weg zum russischen Thron bewies Katharina II. Ausdauer, Geduld, Zähigkeit, Zielstrebigkeit, aber auch Ernsthaftigkeit und Weitsicht. So studierte sie das fortschrittliche Gedankengut jener Zeit, lernte Russisch, konvertierte, eignete sich die Kultur ihrer Wahlheimat an. Die von ihr initiierten Reformen beweisen ihr breitgefächertes Interesse. Chapeau! Das wünschte ich mir heute des Öfteren bei den Jüngeren und nicht nur den Tunnelblick auf Smartphone & Co.
Als mit dem Gen der Russlandaffinität geborene Zerbsterin war ich stets von der Verbindung Zerbst/Anhalt – Russland fasziniert. Durch die Beschäftigung mit Katharina II. und dem Thema „Anhaltische Karrieren in Russland“ verstärkte sich in unserer mobilen Zeit meine Identität mit der Heimat sowie das Verständnis dafür, dass in Russland manches anders ist als bei uns. Ich begriff auch, dass, wenn Deutsche und Russen kooperieren, es ihnen und ihren Ländern gut geht. Letzteres sollte heutzutage vor allem in der „großen“ Politik beherzigt werden. Deshalb denke ich an Dietrich Bonhoeffer: Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern.

Irina Minch, Basketball-Olympiasiegerin von 1992
Ohne Katharina die Große wären wir, die Russlanddeutschen, nicht hier. Sie ist Teil unserer Geschichte, die uns verbindet und auf die wir stolz sind.

Arkadij German, Historiker aus Saratow
Das Leben und Wirken von Katharina sind ein leuchtendes Beispiel für eine kluge und erfolgreiche Politik, für selbstlosen Staatsdienst zum Wohle Russlands. Ein Beispiel, dem heutige Politiker und Staatsbedienstete nacheifern können. Weder vor noch nach Katharina war Russland jemals so mächtig und international einflussreich wie unter ihr. Kanzler Besborodko pflegte zu sagen, dass keine Kanone in Europa einen Schuss abzugeben gewagt hätte, ohne dass Russland um Erlaubnis gefragt worden wäre. Und das war keine große Übertreibung.
Unter Katharina der Großen verfolgte Russland seine eigenen Interessen, ohne sich in ständiger Abhängigkeit von ausländischen Mächten zu befinden. Es strengte selbst Koalitionen an, betrieb ein kollektives Vorgehen von Staaten und trat sogar als Schiedsrichter in europäischen Dingen auf.
Katharina verstand schnell, wie sehr das Land Reformen nötig hatte. Sie war nicht bereit, ihre Macht merklich einzuschränken, befürwortete aber Veränderungen, um die Gesellschaft auf einen europäischen Weg zu führen und von einigen ihrer Schattenseiten zu befreien wie etwa der Leibeigenschaft. Doch die Gesellschaft war dafür noch nicht reif.

Zusammengestellt von Ludmilla Kolina und Tino Künzel.

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