„Siegen lernen“ sollte der gemeine DDR-Bürger von der Sowjetunion. Detlev Steinberg wollte sie vor allem verstehen. Und ehrlich abbilden, soweit das unter den damaligen Verhältnissen ging. Der Fotograf wechselte Mitte der 1970er Jahre zur DDR-Auslandsillustrierten „Freie Welt“, die von der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft herausgegeben wurde und die Sowjetunion als Musterland des Sozialismus darstellen sollte. Von 1977 bis 1982 arbeitete Steinberg in der Moskauer Redaktion der Zeitschrift, bereiste das Land auch danach immer wieder. Er sei den Menschen „mit Aufgeschlossenheit, Neugier und Empathie“ begegnet, sagt Margot Blank. Sie ist Kuratorin der Ausstellung „Unterwegs in der Sowjetunion“, die im Museum Berlin-Karlshorst seit Anfang Dezember und noch bis zum 5. März läuft.
Steinberg, der Jahrgang 1944 war und die Sowjetunion um knapp 30 Jahre überlebte, habe sehr gut Russisch gesprochen, so Blank. Aber auch seine gesamte Art habe ihm „immer wieder Türen und auch die Herzen der Menschen geöffnet“. In den 1990er Jahren begleitete Steinberg den Abzug der Westgruppe der russischen Streitkräfte aus Deutschland dank seiner Kontakte fotografisch aus nächster Nähe. Seine Sowjetunion-Bilder sind sicher kaum als ungeschminkt zu bezeichnen, das hätte auch seinem Auftrag widersprochen. Doch der von Sympathie und Interesse getragene Blick, der aus ihnen spricht, macht sie zu Zeitdokumenten, die viele Momente dem Vergessen entreißen.
Tino Künzel