Hiebe bei 90 Grad: In Moskaus bekanntester Banja

Die russische Sauna – die Banja – gehört für die Moskauer zu einem echten Winter einfach dazu. Moskaus schönste Banja befindet sich mitten im Zentrum. Wer will, kann von hier aus sogar versuchen, im Bademantel zum Roten Platz zu spazieren.

Im Akt: Der Saunameister schwingt den Birkenreisig. (Foto: Pressedienst Sanduny)

„In der Banja ist es vollkommen egal, wer du bist – ob Oligarch oder der sprichwörtliche kleine Mann. Sie ist zum Unterhalten und zur Entspannung da. Schließlich schwitzen hier alle gemeinsam“, sagt der Saunameister Witalij Soldatow. Als er klein war, nahm ihn sein Vater mit in die Sanduny-Banja. Er hatte selbst jahrelang die Besucher gewaschen und „geschlagen“. „Schauen Sie sich die Inneneinrichtung an. Wie kann man sich in so einen Ort nicht verlieben?!“, so der begeisterte Soldatow.

Es fällt wahrlich schwer, sich in einen Ort wie Sanduny nicht zu verlieben. Auch weil er selbst aus Liebe entstanden ist. Die 1808 eröffnete Sanduny-Banja wurde nach ihrem Besitzer Sila Sandunow benannt. Sandunow war Komiker am Petrowskij-Theater, dem heutigen Bolschoi-Theater. Er heiratete Jelisaweta Uranowa, eine Vertraute Katharinas der Großen.

Vom großzügigen Hochzeitsgeschenk der Zarin errichteten die Sandunows die Banja, die sofort bei den Adligen beliebt war. Später übernahm die „Oligarchentochter“ Wera Firsanowa die Banja und baute sie um. Die opulente und reich verzierte Inneneinrichtung stammt aus dieser Zeit. Die Banja hatte sogar eigene Wasserleitungen, die mit Kohle erwärmt wurden. Heutzutage ist alles umweltfreundlicher. Geheizt wird mit Gas.

Luftfeuchtigkeit von 50 bis 60 Prozent

Die Sanduny-Sauna ist ein ganzer Komplex, der aus mehreren Abteilungen besteht. Frauen- und Männerbanjas sind getrennt. Die Bereiche unterscheiden sich nur durch ihre Einrichtung. Auch wenn es mal etwas nüchterner zugeht, die Hygienestandards sind überall gleich. Wer will, kann sich eine Privatbanja mieten und hier mit seiner Familie oder den Freunden in kleiner Runde schwitzen.

Die schönsten und bekanntesten Räume befinden sich in der oberen Männerabteilung. Die Eingangshalle ist hier im Stil des Rokoko. Der historische Schmuck und die Fresken sind noch erhalten. Weiter geht es in den gotischen Saal. Dort kann man sich auf Ledersesseln ausruhen, über das Leben sinnieren und die Fotos der Stars anschauen, die bereits in dieser Abteilung geschwitzt haben. Es folgen Dusche, Dampfbad und Schwimmbecken. In der Dusche könnte sich eine ganze Kompanie reinigen.

Der wichtigste Raum ist aber die Banja. Und die ist modern. Von der Sauna unterscheidet sich die Banja in Temperatur und Feuchtigkeit. Hier werden 90 Grad bei einer Luftfeuchtigkeit von 50 bis 60 Prozent erreicht. Für die Hitze sorgt ein gusseiserner Ofen, der rund um die Uhr in Betrieb ist. Darum kümmern sich die Heizer.

Die behütete Tradition des Saunameisters

Für die Feuchtigkeit ist der Saunameister verantwortlich. Mit einer besonderen Technik gießt er das Wasser auf das Metall. So verbrüht das Wasser nicht und verteilt sich gleichmäßig im Raum. In die Banja passen bis zu 100 Menschen. Der Dampf ist aromatisiert und wechselt seinen Geruch den Tag über mehrfach. Los geht es mit Bergminze, gefolgt von Wermut und Meerrettich. Den Schluss bildet Fichtennadel. Frauen haben zu diesem Bereich nur an einem Tag im Jahr Zutritt. Die Karten dafür seien in drei bis fünf Stunden vergriffen, berichten die Mitarbeiter.

Wie man sich denken kann, ist die wichtigste Person in einer Banja der Saunameister. Ein Lehrberuf ist das in Russland nicht. Die Erfahrungen werden vom Vater an den Sohn oder unter Kollegen weitergegeben. Witalij Soldatow ist eigentlich Masseur. Er kennt den menschlichen Körper und weiß, wo die „wunden Punkte“ sind.

Aber selbst mit dieser Ausbildung wurde er vorerst nicht genommen. „Bei uns läuft es so: Zunächst musst du das Schlagen mit dem Birkenreisig an Eimern üben, dann an den Mitarbeitern und danach erst an den Gästen“, erklärt Soldatow. Jeder Saunameister hat seine eigene Arbeitsmethode. Im Schnitt „schlägt“ ein jeder 10 bis 15  Menschen am Tag. Und Menschen bei 90 Grad zu massieren, ist harte körperliche Arbeit. Soldatow verbringt jeden Tag fünf Stunden in der Banja. Gearbeitet wird im Schichtbetrieb. Zwei Tage durchziehen, dann zwei Tage frei.

Keine Auspeitschung, sondern Sport

Banja-Anfängern empfiehlt Soldatow, nicht sofort den Service des Saunameisters zu buchen. Zunächst sollte man sich an die Temperatur und den Dampf gewöhnen und auf seinen Körper hören. Länger als sieben bis zehn Minuten sollte ein Banja-Gang nicht dauern. Das wichtigste Arbeitsmittel für den Saunameister ist das Reisigbündel. Das kann aus verschiedenen Bäumen und Pflanzen sein – Birke, Eiche, Wacholder, Eukalyptus oder sogar Brennnessel.

Wenn man sich selbst schlagen will, empfiehlt Soldatow Birke. Die hat dichte Blätter, biegsame Zweige, die gut wieder abspringen. Saunameister bevorzugen hingegen Eichenreisig. Der ist länger und liegt daher gut in der Hand. Das Bündel sollte zunächst in Wasser eingeweicht werden, das ist angenehmer.

Und schon kann die Auspeitschung beginnen. Ein Wort, das Soldatow nicht gern hört. Er meint, eine Banja mit Reisigbündel sei wie Sport. Zuerst die quälende Anstrengung und dann die Entspannung. Mit steigender Frequenz schlägt der Saunameister auf den Körper ein, bringt das Gefühl bis zum Höhepunkt – und gießt einen mit kaltem Wasser ab. Und das zwei Mal! Was wie Folter klingt, ist eine wahre Wohltat.

Ljubawa Winokurowa

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