Gael Ondoua, der heimliche Russe bei der WM

Russland ist seit Ende Februar für alle internationalen Fußball-Wettbewerbe gesperrt. Das kostete die Nationalmannschaft sogar die Chance auf die WM-Qualifikation. Doch ein Russe hat in Katar trotzdem mitgespielt, wenn auch für Kamerun.

Mit Bayern-Stürmer Eric Choupo-Moting (rechts): Gael Ondoua auf dem Weg zur Fußball-WM in Katar, wo er für Kamerun im Einsatz war (Foto: Telegram/Gael Ondoua)

Eric Choupo-Moting von den großen Bayern gehörte bei der Fußball-Weltmeisterschaft zu den bekanntesten Gesichtern der Natio­nalmannschaft Kameruns. Aber er war nicht der einzige Profi aus Deutschland im Kader der Zentralafrikaner. Nationaltrainer Rigobert Song hatte auch einen gewissen Gael Ondoua vom Zweitligisten Hannover 96 ins Aufgebot berufen. Der Mittelfeldspieler wurde sogar zweimal eingewechselt (seine Länderspiele fünf und sechs) und verbrachte insgesamt etwa eine Stunde auf dem Rasen, was er durchaus als Erfolg verbuchen durfte. Außerdem tauschte er das Trikot mit dem Brasilianer Neymar, auch das ein kleiner Sieg.

Russisches Fähnchen auf den Schuhen

Doch dass der 27-Jährige sportlich bei Außenstehenden einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, ist zweifelhaft. Gelungen ist ihm das indes auf andere Weise. Ein russisches Fähnchen, das seine Puma-Fußballschuhe ziert (zusammen mit einem kamerunischen), blieb nicht unbemerkt. Das löste einen Mini-Skandal aus, sogar der Weltverband FIFA sah sich zu einer Erklärung veranlasst, dass man keinen Grund sehe, den Spieler in irgendeiner Form zu bestrafen.

Mit zwei Fähnchen auf seinen Fußballschuhen sorgte Gael Ondoua für einen Aha-Effekt bei der Welmeisterschaft. (Foto: Telegram/Gael Ondoua)

Ondoua besitzt sowohl die kamerunische als auch die russische Staatsbürgerschaft. In Russland lebe seine Familie, das sei „unser gemeinsames Zuhause“, erklärte er. Und fügte hinzu, er könne sich über die Aufmerksamkeit nur wundern. Die beiden Flaggen auf seinen Schuhen trage er schon seit Ewigkeiten und habe auch nicht vor, das zu ändern.

Mit neun Jahren nach Moskau gekommen

Diese Nebengeräusche haben den Blick erst so richtig auf eine ungewöhnliche Fußballbiografie gelenkt – und einen ungewöhnlichen Fußballer. Ondoua wurde in Jaunde, der Hauptstadt von Kamerun, geboren. Als er neun war, zog die Familie nach Russland, wo sein Vater eine Arbeitsstelle an der Botschaft seines Landes antrat. Zu diesem Zeitpunkt sprach der kleine Gael bereits fünf Sprachen, darunter auch Deutsch. Nun lernte er auch noch Russisch und machte schnell Fortschritte.

Fußballerisch ausgebildet wurde der Diplomatensohn derweil in der Nachwuchsabteilung von Lokomotive Moskau. In einem „Offenen Brief“, den das Internetportal Sports.ru kürzlich veröffentlichte, hob er diese Zeit explizit hervor. „Die Erzieher, die Trainer, die Jungs aus dem Internet – es ist ihr Verdienst, dass ich Russland so ins Herz geschlossen habe. Ich war ihnen gegenüber offen und sie haben sich mir geöffnet.“ Schon damals habe er sich davon überzeugen können, dass „die Hautfarbe in Russland längst keine Rolle mehr spielt“. Es zähle nur, ob man die Kultur und die Menschen respektiere.

In Russland „der glücklichste Mensch der Welt“

Heute spricht Ondoua fließend Russisch. Er hat Puschkin, Dostojewski und Tolstoi im Original gelesen, mag russische Filme und Serien. Auf Telegram unterhält er seinen eigenen Kanal mit etwa 12.000 Abonnenten. Für Sports.ru ist er als Kolumnist tätig.

Auf Russland lässt der Profi, der in seiner Karriere unter anderem für den Schweizer Erstligisten Servette Genf gekickt hat, bevor er 2021 nach Hannover wechselte, nichts kommen. Wenn er über seine zweite Heimat spricht, wie in seinem „Offenen Brief“, dann klingt das so: „Russland ist für mich zu einem Ort geworden, wo ich mich wie der glücklichste Mensch der Welt fühle.“ Oder: „Meine Lieblingsstadt ist Moskau. Wenn ich mal mit dem Fußball aufhöre, werde ich garantiert hier wohnen.“

Lange hoffte Ondoua sogar auf eine Einladung zur russischen Nationalmannschaft. Nun hat er mit Kamerun eine WM-Teilnahme zu verbuchen.

Tino Künzel

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