Festival zu Ehren des Heiligen Doktors Haass

Im Südwesten Moskaus gibt es seit September eine neue Straße. Sie ist eher unscheinbar, aber sie trägt den Namen eines großen Mannes: des Moskauer Arztes deutscher Herkunft Friedrich Joseph Haass. Gefeiert wurde das in der Deutschen Schule, ganz in der Nähe der Haass-Straße, mit einem Inklusions-Festival.

Haass-Festival

Inklusion in der Praxis: gemeinsam singen, tanzen, Theater spielen /Foto: Ljubawa Winokurowa

Die Türen der Deutschen Schule standen am vierten Septemberwochenende allen offen, die sich für das Wirken von Friedrich Joseph Haass interessieren und es fortführen. Der sogenannte Heilige Doktor von Moskau ist in der russischen Hauptstadt vielen ein Begriff. Geboren wurde er in Münstereifel (heute Nordrhein-Westfalen) im Jahr 1780. Er studierte in Köln, Jena und Göttingen neben Medizin auch Philosophie und Germanistik, bevor er Hausarzt einer russischen Fürstin wurde.

Deren Vater holte den Chirurgen und Augenarzt nach Russland, wo er als Fjodor Petrowitsch Gaas bekannt wurde. Später betrieb er in Moskau eine Privatpraxis und stieg zum Hausarzt der Oberschicht auf. Besonders engagierte er sich jedoch lange Zeit für Strafgefangene und half ihnen, ihre seelischen, sozialen und medizinischen Probleme zu lindern.

Haass verbindet Russen und Deutsche

Über Haass wurden schon Bücher geschrieben, Filme gedreht und Theaterstücke aufgeführt. Sein Grab auf dem Wwedenskoje-Friedhof zieren noch heute stets frische Blumen und die Deutsche Schule Moskau trägt ebenfalls seinen Namen. „Haass ist uns wohlbekannt“, sagte der stellvertretende Moskauer Bürgermeister für soziale Entwicklung, Leonid Petschatnikow, beim Inklusions-Festival zu Ehren des Doktors. „In den Vorlesungen über Medizingeschichte an den Moskauer Universitäten lernen Studenten etwas über Hippokrates, aber auch über Haass.“

Die Idee zum Festival ist in der Deutschen Botschaft entstanden. Botschafter Rüdiger von Fritsch sagte bei der Eröffnung, dass Haass und sein Wirken Deutsche und Russen verbinde. Der Doktor hat sich zwar im 19. Jahrhundert nicht mit Inklusion im heutigen Sinn befasst, aber er handelte nach den selben Prinzipien, auf denen auch heute soziales Engagement fußt, als er sich für eine menschliche Behandlung von Gefangenen einsetzte.

Im Sinne von Haass Barrieren abbauen

In Gedenken daran verleiht das Deutsch-Russische Forum jährlich den Friedrich-Joseph-Haass-Preis für besonderer Verdienste um den Brückenbau zwischen beiden Völkern. In Russland ehrt der Föderale Dienst für den Strafvollzug im Sinne von Haass besonderes Engagement für die gesundheitliche Versorgung von Gefangenen.

Trägerin beider Auszeichnungen ist Anne Hofinga. Sie ist Vorstandsvorsitzende der deutsch-russischen Organisation „Perspektiva“. „Haass hat uns vorgelebt, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Ich wünsche uns allen, dass wir Barrieren jeglicher Art in unseren Köpfen abbauen“, sagte Hofinga beim Festival. Barrieren wurden dabei durch Workshops, Musik und Theater überwunden. Mehr als 50 russische Organisationen, die sich für Rehabilitation und Inklusion einsetzen, stellten sich vor.

Bleibt noch die Frage, warum die neue Moskauer Haass-Straße so unscheinbar ist. Das liegt wohl an der Bürokratie: Es ist einfacher, eine unbewohnte Straße umzubenennen als eine mit Anwohner, die dann ihre Adresse ändern müssten.

Ljubawa Winokurowa

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