Fertiggerichte statt Zugrestaurant

Die russische Eisenbahn möchte das gastronomische Angebot im Zug umgestalten. Die Speisewagen sollen weitgehend verschwinden und durch Bistrowagen mit aufgewärmtem Essen ersetzt werden. Das Ende der Reisekultur? Oder wird niemand den „Waggon-Restaurants“ nachtrauern?

Zugrestaurant
In vielen Zügen soll es bald nur noch „Bistrowaggons“ geben. (Foto: RSchD)

In gemütlichem Ambiente eine Soljanka löffeln und dazu ein Glas Wein trinken, während auf dem Weg in den Urlaub draußen die Landschaft vorbeizieht – der Speisewagen ist ein klas­sisches Stück Reisekultur. Er weckt Assoziationen mit den mondänen internationalen Schnellzügen der großen Zeit der Eisenbahn, dem Orient-Express, dem Rheingold. Doch die wenigsten Reisenden nehmen das Angebot überhaupt jemals wahr, das ist in Europa nicht anders als in Russland.

Die Meldung, dass die Russische Eisenbahn auf vielen Verbindungen die Speisewagen abschaffen will, dürfte daher auch vor allem Nostalgiker getroffen haben. Der gemeine Fahrgast zwischen Smolensk und Wladiwostok hat ohnehin seine Fertignudeln oder sein gebratenes Hühnchen dabei.

Abgesehen von den gehobenen Markenzügen möchte die Bahn also zukünftig das Zugrestaurant durch ein „modernes gastrono­misches Angebot“ ersetzen. Wie das genau aussehen soll, war Mitte Mai zunächst nicht ganz klar. Medien zitierten Bahnchef Oleg Beloserow damit, dass es zukünftig aufgewärmte Mahlzeiten am Platz geben solle. „Ich empfinde den Speisewagen als etwas Teures“, sagte der oberste Eisenbahner selbst gegenüber Medienvertretern.

Aufgewärmte Kost als Ersatz

Bald darauf wurden die Pläne von der Pressestelle der Russischen Eisenbahn präzisiert. Die Speisewagen sollen sogenannten Bistrowagen weichen. Ändern werde sich lediglich die Technologie, gab das Unternehmen auf seinem Telegram-Kanal bekannt.

In Zukunft sollen die Speisen in stationären Großküchen zubereitet werden und mithilfe „modernster Wärmebehandlungs- und Qualitätskontrolltechnologien“ in sterilen Behältern an bestimmten Stationen in die Bistrowagen geladen werden. Dort sollen die Gerichte dann aufgewärmt und wahlweise im Bistro selbst oder am Platz serviert werden. Das alles erinnert doch sehr an die Verpflegung im Flugzeug.

Vorsorglich erwähnte die Pressestelle gleich, dass es sich bei den Speisen keineswegs um Fast Food handele. „Auf der Speisekarte stehen Kindergerichte und vegetarische Gerichte, Suppen, Salate, warme Fleisch- und Fischgerichte und Desserts“, wurde auf Telegram gemeldet.

Zugrestaurants werden von Subunternehmern betrieben

Die klassischen Speisewagen sollen jedoch in den Markenzügen verbleiben. Das sind Züge mit gehobenem Standard, sie sind etwas teurer, tragen oft Namen und bestehen in der Regel aus den modernsten Waggons, so zum Beispiel der „Kawkas“ Moskau–Kislowodsk, der „Schiguli“ Moskau–Samara oder der „Rote Pfeil“ Moskau–St. Petersburg.

Dort werden die Speisen im Zugrestaurant selbst zubereitet, natürlich auch unter Verwendung von Halbfertigprodukten. Verantwortlich für die derzeit rund 400 Speisewagen sind zwölf Subunternehmer, die im Auftrag der Bahn die Restaurants betreiben. Qualität und Preise des Angebots liegen in ihrer Hand.

Die Einrichtung der moderneren Wagen erinnert oft an Fast-Food-Restaurants, Plastiksitze mit rotem oder blauem Kunstlederbezug. Die Qualität der Speisen variiert. Die meisten Fahrgäste bringen ohnehin ihr Essen selbst mit. Was allerdings das Alleinstellungsmerkmal des Speisewagens ist: Hier darf Alkohol getrunken werden, ohne dass man sich vor den Schaffnerinnen fürchten muss. Denn am Platz ist das in Russland verboten und wird in der Regel auch zumindest mit einer Ermahnung geahndet.

Mehr Sauf- als Speisewagen

Insofern sieht man dort oft mehr Leute beim Trinken als beim Essen. Ausufernde Saufgelage sind keine Seltenheit, sowohl von Einheimischen als auch von deutschen Rentnergruppen – alles schon selbst erlebt. Doch was sagen die Fahrgäste zu den Plänen? Hannes Ortlieb, der schon auf zahlreichen, teils wochenlangen Studienreisen mit der Bahn durch Russland unterwegs war, sagt, er habe vielleicht ein- bis zweimal im Zugrestaurant gegessen, sonst „auch nur mal Bier getrunken“. Und er habe da hinsichtlich des Wohlfühlfaktors „schon ungemütliche Fälle“ gehabt.

Denis Romodin aus Moskau berichtet, er habe vor knapp zehn Jahren oft im Zug von Moskau nach Jaroslawl im Speisewagen gefrühstückt. „Aber dann hat sich die Küche verschlechtert, es schmeckte nach nichts mehr und wurde auch noch teurer.“ Also kehrte er dem Speisewagen den Rücken. Sein Kollege Nikita Sutschkow sagt schlicht „teuer und nicht lecker“. Diese Meinung teilen viele.

Als selbst regelmäßiger Bahnfahrer in Russland kann ich dagegen auch von positiven Erfahrungen berichten. Gerade auf mehrtägigen Fahrten ist man doch mal froh, eine anständige Suppe zu bekommen, anstatt immer nur Instantnudeln aus der Box. Und auch die Salate können sich sehen lassen. Aber klar, umsonst gibt es nichts und die Preise sind durchaus saftig. Doch leider steht eben nicht an jedem Zwischenhalt eine Babuschka und verkauft hausgemachten Krautsalat und Piroggen. Das ist ebenfalls ein Stück rus­sischer Reisekultur, das immer seltener wird.

Jiří Hönes

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