Als Dschiginka Ende September seinen 155. Geburtstag feierte, da war auch Michaelsfeld nicht weit. Direkt nebeneinander standen die beiden Ortsnamen auf einem Plakat an der Festbühne. Als Michaelsfeld gründeten deutsche Kolonisten 1868 das Dorf. Sie hatten einen weiten Weg von Bessarabien zurückgelegt, um hier, 25 Kilometer nördlich von Anapa und dem Schwarzen Meer, Land zu kaufen und ein neues Leben zu beginnen.
Deutsch geprägt blieb das Dorf zumindest bis zum Zweiten Weltkrieg. 1926 zum Beispiel waren von 1439 Einwohnern 1181 Deutsche. Doch 15 Jahre später musste die gesamte deutsche Bevölkerung den bitteren Gang in die Verbannung antreten. Und während diese Deutschen das Echo des Krieges fern der Front erlebten, brachten andere Deutsche die Front nach Dschiginka. Vom August 1942 bis zum September 1943 hielt die deutsche Wehrmacht den Ort besetzt. Als sie schließlich zum Rückzug gezwungen wurde, waren 81 Juden tot.
Was bleibt, ist die Erinnerung
Ab 1964 kehrten die deportierten Deutschen teilweise aus Sibirien und Kasachstan in ihr Heimatdorf zurück. Doch die Ausreisewelle der 1990er Jahre nach Deutschland ließ kaum etwas vom deutschen Leben in Dschiginka übrig. Und die Spuren verlieren sich immer weiter. Das, was an Wohnhäusern aus alter Zeit noch erhalten ist, befindet sich nicht immer in einem ansehnlichen Zustand. Der deutsche Teil der Geschichte von Michaelsfeld-Dschiginka kann heute vor allem auf dem Friedhof und im sehenswerten Heimatmuseum besichtigt werden. Auf letzteres sind die Einheimischen sehr stolz. Sie selbst haben die liebevoll ausgestellten Exponate aus Privatbesitz zusammengetragen.
Zeugnis von den deutschen Kapiteln Dschiginkas legt auch das prominenteste Gebäude in der Ortsmitte ab – die frühere Dorfkirche. Sie ist heute, eher typisch als die Ausnahme in Russland, ein Kulturhaus.
Tino Künzel