Die einen sagen, dass der 67-jährige Mathematiker August Ferdinand Möbius aus Leipzig die wundersamen Eigenschaften des Bandes, welches später seinen Namen bekam, entdeckte, als seine Frau ihm ein vom Dienstmädchen ungeschickt genähtes Band brachte. Das Mädchen hatte die beiden Enden zusammengenäht, nachdem sie vorher ein Ende umgedreht hatte. Andere wiederum erzählen, dass das Dienstmädchen so das Halstuch knotete, und der betagte Wissenschaftler hatte das bemerkt. Wie es wirklich war, ist nicht vollständig bekannt. Eines aber ist genau bekannt: Im September 1858 schrieb Möbius über die Eigenschaften des Bandes. 1865 wurde diese Arbeit veröffentlicht.
Interessant ist, dass im Juli 1858 ein anderer deutscher Mathematiker, Johann Benedict Listing aus Göttingen, über die einseitige Oberfläche geschrieben hatte. Die Ergebnisse seiner Beobachtungen teilte er 1861 der Welt der Wissenschaft mit.
Inspiration für die Künstler
Und Mitte der 1930er Jahre wurde das Band wiederentdeckt. Der Schweizer Bildhauer und Architekt Max Bill berichtete später darüber, wie das war: „Meine Entdeckung – die einseitige Schlinge, machte mich sprachlos. Bald hatte ich die Möglichkeit, sie in meinen Arbeiten zu verwenden. Im Winter 1935–1936 bereitete ich die Ausstellung für die Triennale di Milano vor und bot drei Skulpturen an, die die nationale Individualität der Schweizer Abteilung in der Ausstellung unterstreichen sollten. Eine davon war die ,Unendliche Schleife‘, die, wie mir schien, mein eigenes ‚Kind‘ war. Bald jedoch beglückwünschte mich jemand zur originellen Auslegung des ägyptischen Symbols der Unendlichkeit und des Möbiusbandes …“
Max Bill war nicht der Einzige, den die Form des Bandes zur Schaffung von Kunstwerken inspirierte. Sie diente als Inspirationsquelle für Dutzende Schriftsteller, Musiker, Bildhauer, Maler und Filmschaffende. Das Denkmal für das Möbiusband von Andrej Nalitsch steht übrigens unweit der Redaktion der MDZ, auf dem Komsomolskij-Prospekt.
Das einmalige Kunstobjekt
Im Juni erhielt die WDNCh auch ein Möbiusband. An seiner Schaffung hat man ungefähr vier Jahre gearbeitet. Nach den Worten von WDNCh-Direktor Sergej Schogurow ist das ein „einmaliges Kunstobjekt, eine landschaftliche Attraktion auf dem Gelände der Ausstellung, das seinesgleichen im Land und in der Welt sucht.“ Es ist offensichtlich, dass man, wenn man hierherkommt, sich ernsthaft erleuchten lassen möchte. Sonst endet der 10-minütige Spaziergang über das 340 Meter lange Band mit einer Enttäuschung.
Das Möbiusband befindet sich am anderen Ende der WDNCh, vom Haupteingang gesehen. In der Nähe sind der Springbrunnen „Goldene Ähre“, der Fliedergarten, der Öko-Pfad in den Baumkronen und andere Objekte der grünen Zone des Ausstellungsgeländes. Die Besucher sollten vorher eine Route auswählen, damit Sie, am Möbiusband angekommen, noch Kraft fürfür einen meditativen Spaziergang übrig haben. Umso mehr, weil ein Teil des Weges bergauf führt: Er steigt 8,4 Meter an.
Diese Attraktion erinnert in ihrer Form an eine Acht oder das mathematische Zeichen für Unendlichkeit. Über die Unendlichkeit sind an den gläsernen Wegbegrenzungen viele Aphorismen zu sehen. So gehört zum Beispiel eine Aussage dem deutschen Philosophen Friedrich von Schelling: „Das Unendliche endlich dargestellt ist Schönheit“. Es gibt auch Fakten aus der Reihe „Wussten Sie, dass …“ Einer gibt darüber Auskunft, dass Designer häufig auf die Form des Möbiusbandes zurückgreifen, sogar Schuhdesigner.
Garten der fünf Gefühle
Außerhalb und innerhalb des Bandes wurde der „Garten der fünf Gefühle“ angelegt. Nach einer Idee von Michel Péna, einem französischen Architekten und Autor der Konzeption des Landschaftsparks der WDNCh, sind die Pflanzen in jeder Zone des Gartens so ausgewählt, dass sie vorrangig eines der fünf Grundgefühle ansprechen. Insgesamt wurden über 130 Gewächse angepflanzt.
Olga Silantjewa