Die Abenteuer des Verpflichtungserklärenden

Die russische Bürokratie kann einen um den Verstand bringen. Doch auch die deutsche ist kein Zuckerschlecken. Wollen ein Deutscher und eine Russin heiraten, bekommen sie es mit den Abgründen beider Welten zu tun. Unser ehemaliger Redakteur hat sich damit in diesem Jahr herumgeschlagen.

Ende gut, alles gut: Nach über einem halben Jahr Behörden-Madness konnten Maria und Jiří endlich heiraten. (Foto: privat)


Als mich meine ehemalige Kollegin fragte, ob ich nicht etwas über den bürokratischen Hürdenlauf auf dem Weg zu meiner Heirat schreiben wolle, da war mein erster Gedanke: Ja klar, dieser Wahnsinn hat Unterhaltungswert. Da war das alles noch recht frisch überstanden. Doch jetzt, wo etwas Gras über sie Sache gewachsen ist, wollte ich zuerst gar nicht mehr daran erinnert werden. Doch dann fiel mir wieder ein, dass es mir ein Trick immer geholfen hat: Ich muss das alles nur als einirres Adventure-Spiel sehen. Das hilft auch jetzt noch, Dinge wie die„Erklärung des Verpflichtungserklärenden zur Abgabe einer Verpflichtungserklärung“ oder die„Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses“zu verarbeiten.

Also spielen wir eine Runde „Bürokratie-Apokalypse“ in der russisch-deutschen Ausgabe. Eigentlich hatten wir ja vor, in Russland zu heiraten. Wir hatten es nicht besonders eilig und ich holte mir beim Standesamt meines letzten Wohnorts in Deutschland nach und nach die nötigen Informationen. Gebraucht hätte ich ein Ehefähigkeitszeugnis. Das war noch eine der leichteren Übungen. Als ich jedoch Anfang 2022 die Zusage für eine neue Stelle bekam und wir beschlossen, nach Deutschland zu ziehen, war klar: Das mit der Hochzeit schaffen wir vorher nicht mehr in Russland. Also ab in die Mühlen der deutschen Bürokratie. Bei meiner Abreise Ende März hatten wir noch gedacht, wir würden uns vielleicht im Juni wieder sehen. Eine sehr naive Vorstellung, wie sich zeigen sollte.

Level 1: Standesamt, Mission: Eheschließung anmelden

„Sie wend hürate?“ fragte mich die Dame im Lörracher Standesamt, wohin ich gerade aus Moskau gekommen war. „Verschtehnd Sie Alemannisch?“ Zum Glück komme ich aus Stuttgart und nicht aus Flensburg, verstand also größtenteils, was sie mir sagen wollte. Nun brauchte meine Verlobte ein Ehefähigkeitszeugnis. Da das russische Recht einen solchen Schmu aber nicht kennt, bedurfte es für sie der Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses. Die Mission lautete also: Sammle Dokumente und lasse sie beglaubigt ins Deutsche übersetzen. Die Geburtsurkunde, eine notariell beglaubigte Ledigkeitserklärung und manches mehr. Beim Ausstellen einer neuen Geburtsurkunde, die alte aus einer Kleinstadt im der Leningrader Oblast war verloren gegangen, kam der Inlandspass meiner Verlobten im Moskauer Bürgerbüro MFZ in einen falschen Stapel. Die Beamtin setzte gedankenverloren einen Stempel für eine geschiedene Ehe hinein. Also musste sicherheitshalber ein neuer Pass her, was natürlich Zeit koset und zur Folge hatte, dass auch der Reisepass wieder geändert werden musste.

Ein weiteres Bonuslevel gab es bei den Übersetzungen. Beim Deutschen Konsulat hatte man uns zwei Adressen vereidigter Übersetzerinnen gegeben. Eine wurde beauftragt. Doch als ich in Lörrach die Dokumente abgab, eröffnete man mir, dass diese Übersetzung nicht anerkannt werde. Also musste ich noch einmal alles in Freiburg übersetzen lassen, was nun zwar schnell ging vor allem aber Geld kostete. Immerhin, die Übersetzerin in Freiburg hatte den richtigen Stempel im Arsenal: „Öffentlich bestellte und beeidigte Urkundenübersetzerin der russischen Sprache für Baden-Württemberg“. Auf dem Stempel der Dame in Moskau war nur gestanden „Öffentlich bestellter und allgemein beeidigter Übersetzer für die russische Sprache“. Augen auf bei der Übersetzerwahl!

Als dann alles abgegeben war, schlug mir die Standesbeamtin einen Termin für die Eheschließung vor, Mitte August. Dazu der motivierende Kommentar: „Meistens verschiebt sich das aber eh nochmal. Sie sollten nur schauen, dass Sie es bis November hinbekommen, die Anmeldung ist nämlich nur sechs Monate gültig.

Level 2: Deutsches Konsulat Moskau, Mission: Visum beantragen

Sechs Monate klingen eigentlich lang. Doch nicht, wenn man es mit dem deutschen Konsulat in Moskau zu tun hat. „Aufgrund der hohen Antragstellerzahl kommt es bei der Visastelle derzeit leider zu längeren Wartezeiten bei der Antragsabgabe“, erhielt ich dort die Auskunft. Okay, wenig verwunderlich angesichts der zeitgeschichtlichen Umstände. Nun galt es, mehrmals am Tag das Online-Terminbuchungssystem zu sichten, ob nicht zufällig gerade etwas frei war. Es dauerte etwa eine Woche, bis wir einen Termin hatten. Dann Warten.

Ich hatte eine Frage zu den nötigen Unterlagen, doch dort jemanden ans Telefon zu bekommen, war schier unmöglich. Sie sind zwei Stunden pro Tag erreichbar, in denen natürlich dauerbesetzt ist. Nur ab und an bekam man einen Mitarbeiter ans Telefon, dessen Stimme an Jütte, die Schnarchnase aus dem Köln-Tatort, erinnerte und einen wissen ließ, dass gerade alle im Gespräch seien. Erst als ich nach Tagen in der Warteschleife irgendwann die Fassung verloren habe (ich schäme mich noch heute dafür), bekam ich ganz plötzlich einen Ansprechpartner. Tipp an dieser Stelle: Mehr Drama, mehr Erfolg.

Nach dem Termin, bei dem das Visum beantragt wurde, erfuhren wir, dass der Antrag dann per Behördenpost nach Deutschland gehen sollte. Wie lang das dauert, wusste keiner so genau. Man versicherte uns immerhin, dass es nicht mit der Russischen Post verschickt werden solle, immerhin. Doch ein Anruf bei der Lörracher Ausländerbehörde (die hatten offenbar Einsicht in die Vorgänge in Moskau) ergab, dass der Brief überhaupt erst vier Wochen nach dem Termin auf die Reise ging.

Level 3: Ausländerbehörde, Mission: Aufenthaltstitel erhalten

Stichwort Ausländerbehörde: Dort galt es nun, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass meine Verlobte in Deutschland bleiben darf. Nun kam das schönste Wortmonster zu seinem Auftritt, die Erklärung des Verpflichtungserklärenden zur Abgabe einer Verpflichtungserklärung. Falls jemand zweifelt: Das ist kein Witz. Echt jetzt. Verpflichten musste ich mich, bis zur Hochzeit für den Unterhalt meiner Verlobten aufzukommen. Und für ihren Rückflug, falls wir uns das mit der Hochzeit doch noch anders überlegen würden. Da ich anfangs in meinem Job noch in der Probezeit war, wollte man von mir dafür eine Art Pfand von 2500 Euro. In diesem Fall war es doch ganz gut, dass das Konsulat so langsam war, denn bis wir das Visum hatten, war meine Probezeit schon vorbei.Es war mittlerweile August und wir machten erstmal Urlaub in der Türkei, um uns mal wieder zu sehen. Wer wusste schon, wie lang das noch dauern sollte.

Dann der nächste Irrsinn: Um meine Verlobte bei mir aufzunehmen, brauchte ich eine Wohnfläche von mindestens 18 Quadratmetern pro Kopf. Ich wohnte aber erstmal in einem WG-Zimmer, schließlich wollten wir uns unsere Wohnung später gemeinsam aussuchen. Um die Behörden zufriedenzustellen, musste ich also ein zweites Zimmer in der WG anmieten, das dann zwei Monate lang leer stand, bis Maria Ende September eingereist ist. Geld fällt ja vom Himmel.

Geheiratet haben wir schließlich am 14. Oktober, gerade noch rechtzeitig, bevor die Anmeldung verfallen wäre und wir wieder in Level 1 gelandet wären.

Jiří Hönes

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