Deutsche Expats zwischen Gehen und Bleiben

In der Wirtschaftskrise ist nicht nur die Zahl deutscher Investitionen in Russland gesunken, sondern auch die Zahl der Expats. Lokale Arbeitsverträge und der Trend zu russischen Mitarbeitern machen es den Ausländern nicht einfach. Doch mancheiner will die Krise ausharren.

Aufbrechen oder bleiben, viele Expats in Moskau stellen sich diese Frage. /Foto: Pixabay.

Es waren schwierige Jahre für Russland und den Westen – aber mittlerweile geht es wieder leicht aufwärts. Zumindest in der Wirtschaft. Seit einigen Monaten steigen die ausländischen Investitionen in Russland wieder an: Die Zahl deutscher Projekte nahm um 20 Prozent zu, die aus den USA um 30 Prozent. Und die Expats, die die vergangenen Jahre in Russland ausgeharrt haben, atmeten auf.

Die goldenen Zeiten sind aber nicht zurück, sagt Christian Tegethoff, Geschäftsführer von CT Executive Search. Er ist Headhunter und sucht Führungskräfte für ausländische Unternehmen, die in Russland arbeiten. „Die Jahre 2014 und 2015 haben wir in einer Schockstarre verbracht. Seit 2016 steigt die Nachfrage langsam wieder. Aber es ist nicht so wie vor 2014.“

Außerdem sagt er: „Der Trend geht zum Russen. Die typischen Entsendungspakete für deutsche Führungskräfte, die nach Russland ziehen – die gibt es kaum noch. Ausländische Firmen wollen Führungskräfte, die die Sprache sprechen und sich im Land auskennen. Und es werden fast nur noch russische Arbeitsverträge abgeschlossen.“

„Deutsche Mentalität ist der russischen am nächsten“

Auch Ralf Bendisch, Generaldirektor des deutschen Landmaschinenherstellers Claas in Krasnodar, sagt, dass immer weniger deutsche Mitarbeiter in seiner Firma arbeiten, weil man heute sehr qualifiziertes und motiviertes russisches Personal einstellen kann. In seinem Unternehmen sind deshalb 450 Russen angestellt und nur vier Deutsche.

Die vorherrschende Stimmung unter Expats ist Sorge, sagt er – darüber, dass die Situation so eskaliert ist. „Aber das Interesse in Deutschland am russischen Markt ist riesig und auch wieder ansteigend. Die deutsche Mentalität ist der russischen ja am nächsten.“

Die Zusammenarbeit war in den letzten Jahren eher gedämpft, aber jetzt ist es spürbar, dass die Investitionen wieder zunehmen. „Putin befördert das – das muss man ihm zugute halten. Es gibt diese Bemühungen auf beiden Seiten.“ Vielleicht, sagt er, ist da aber auch Ernüchterung dabei, dass es mit anderen Partnern im Fernen Osten nicht so gut geklappt hat.

Die Krim-Krise, die darauf folgenden Sanktionen und der schwache Ölpreis: Das waren die Gründe für die russische Wirtschaftskrise – und auch dafür, dass seit 2014 viele Expats aus Russland weggezogen sind. Laut offiziellen Angaben ist ein Drittel gegangen – die meisten, weil sie plötzlich keine Arbeit mehr hatten. Manche aber auch, weil das politische Klima in Russland rauer wurde.

Expat-Schwund auch im Nachtleben

Wenn er sich im Nachtleben umschaut, dann sieht er, dass über die Hälfte verschwunden ist, sagt Chris Helmbrecht. Er ist Deutscher und ein berühmter DJ in Moskau. Er organisiert Partys für Oligarchen. Außerdem ist er Autor des Buches „Fucking Moskau“. Den Titel darf man wörtlich verstehen.

Die, die geblieben sind, können nicht mehr so entspannt feiern wie noch vor einigen Jahren, sagt er. „Die Leute haben heute mehr Stress. Sie müssen die Arbeit von Menschen übernehmen, die aus Russland weggezogen sind. Und dann sind sie zu müde, um Party zu machen.“

Chris Helmbrecht sagt, auch er hat sich gut überlegt, ob er weiterhin in Russland bleiben möchte. Jedes halbe Jahr hatte er eine Krise, seit 14 Jahren ging das so: „Dieser ständige Druck. Das Gerangel in der Metro. Leute, die dich über den Tisch ziehen, wenn du nicht hart bist.“ Und dann gab es auch noch diese nationalistische Anwandlungen – Leute die ihn auf der Straße anschrieen, warum er kein Russisch spreche?

Erst im vergangenen Jahr hat er endgültig entschieden zu bleiben. „Mir wurden interessante Projekte angeboten. Und mir liegt etwas am Land.“ Auch, weil er mittlerweile ein Kind mit seiner russischen Frau hat. „Moskau stimuliert mich. Man muss kämpfen. Das ist gut fürs Gehirn“, sagt er.

Steffi Unsleber

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