Deutsch-russische Sommerschule in Kasan: „Immer volles Haus“

Erst Moskau, dann Tscheljabinsk, jetzt Kasan. Der Lehrstuhl für Sportökonomie und Gesundheitsökonomie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena veranstaltet seit 2013 Sommerschulen in Russland. Was man sich darunter vorstellen muss, hat Lehrstuhlinhaber Frank Daumann der MDZ erzählt.

Herr Daumann, die deutsch-russischen Beziehungen waren zuletzt nicht immer von Kontinuität geprägt. Ihre diesjährige Sommerschule zum Thema Sportökonomie und -management in Kasan war bereits die sechste in Russland. Wie kam es dazu?
Sommerschulen hatten wir auch davor schon ausgerichtet. Das Konzept stand also. Dann haben wir überlegt, wer für uns als Kooperationspartner in Frage käme und auch aus sportlicher Sicht interessant wäre. In Russland ist da ja eine hohe Kompetenz vorhanden. So hat das alles angefangen.

Wer nimmt an diesen Sommerschulen teil?
Das sind jeweils 30 Studenten aus ganz Russland mit einer starken Affinität zum Sport. Sie treffen bei uns auf Gleichgesinnte und auf renommierte Dozenten aus Deutschland. Der Unterricht geht in der Regel von 9 bis 15 Uhr. Daran schließen sich dann andere thematische Veranstaltungen an. Wir haben diesmal zum Beispiel die Sportstätten in Kasan besichtigt. Wir waren auch in einer deutschen Bäckerei und haben einen Strudel gebacken. Für die Teilnehmer ist die Sommerschule also auch ein kleines Abenteuer.

Die Sommerschüler und Frank Daumann (Mitte) vor Ort in Kasan. © DAAD Sport Management Summer School

Wie ist die Resonanz?
Wir hatten bisher immer volles Haus. Das Angebot wird sehr gut angenommen, sowohl von unserer sehr zuverlässigen und kompetenten Partnerhochschule in Kasan, der Staatlichen Akademie für Körperkultur, Sport und Tourismus des Wolgagebiets, als auch seitens der Studenten. Und auch der DAAD, der es im Rahmen seines Programms „Sommerschulen im Ausland“ fördert, hat immer wieder Interesse bekundet, das Projekt weiterzuführen.

In einfachen Worten erklärt: Worum geht es denn bei Sportökonomie und -management?
Um die Anwendung ökonomischer Instrumente auf den Sport. Eine typische Fragestellung wäre etwa: Sollte es bei einer Fußball-Liga eine zentrale Vermarktung der TV-Rechte geben? Oder: Ist die Champions League ein Problem für die nationalen Ligen, weil die für den internationalen Wettbewerb qualifizierten Klubs mit ihren Einnahmen ganz andere finanzielle Voraussetzungen haben als der Großteil ihrer Gegner zu Hause? Wie kann ich die Ausgeglichenheit in der Liga herstellen, welche Instrumente stehen dafür zur Verfügung? Sportmanagement ist BWL für den sportlichen Bereich: Wie lässt sich ein Sportverein gut vermarkten? Wie kann ich die Kosten im Verein vernünftig kontrollieren? Solche Themen.

Was ergreifen die Studenten an Ihrem Lehrstuhl später für Berufe?
Viele steigen bei Sportartikelherstellern ein, viele auch bei Sportklubs oder Sportämtern. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig.

Gibt es in Russland vergleichbare Studiengänge?
Als Vollstudium mit einem entsprechenden Abschluss ist mir das nicht bekannt.

Was studiert man denn an der Hochschule, mit der Sie kooperieren?Dort haben die Studiengänge ein sportwissenschaftliches Profil und zielen auf die Ausbildung von Trainern, Sportlehrern und dergleichen ab.

Die Sommerschule dauert zwei Wochen. Was kann man in dieser kurzen Zeit vermitteln?
Wir greifen bestimmte Themenblöcke aus dem Bereich von Sport­ökonomie und -management heraus. Zum Beispiel die Genderdebatte im Fußball: Die besten männlichen Fußballer verdienen ein Vielfaches dessen, was die besten weiblichen bekommen. Warum ist das so und nicht anders? Wenn Sie sich etwa die Modebranche anschauen: Dort ist es genau umgekehrt. Oft wird über Sport sehr hemdsärmelig diskutiert. Wir versuchen, uns theoriebasiert damit zu beschäftigen und auch Anregungen für Literatur zu geben, mit der sich das weiter vertiefen lässt. 

Mit welchen Eindrücken sind Sie aus Kasan zurückgekehrt?
Die Teilnehmer dieser Sommerschulen sind unheimlich wissbegierig und engagiert. Es macht viel Spaß, mit ihnen zusammenzuarbeiten, und ist auch eine persönliche Bereicherung. Zudem lernt man nebenbei auch das Land kennen, das ich sehr spannend finde. Ich war schon in St. Petersburg auf den Spuren der russischen Revolution unterwegs und bin in Kasan hinter meinem Hotel auf ein Haus gestoßen, in dem der junge Lenin eine Zeit lang gewohnt hat. Ich bin auch ein großer Fan des russischen Realismus, habe im Kasaner Kreml eine Ausstellung zu dem Maler Iwan Schischkin, einem seiner Vertreter, besucht.  Inzwischen lerne ich sogar ein wenig Russisch.

Das Interview führte Tino Künzel.

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