Der Glanz der späten Zarenzeit

Eine Ausstellung in Moskau zeigt Plakatkunst aus dem vorrevolutionären Russland. Ein faszinierender Ausflug in eine längst untergegangene Welt.

Werbeplakat für ein Musikgeschäft in Rostow am Don
„Alles für die Musik“ – Werbeplakat für ein Musikgeschäft in Rostow am Don, gestaltet von Teodor Kibbel in St. Petersburg (Bild: Russische Staatsbibliothek)

Grell, verführerisch und faszinierend – so präsentiert eine aktuelle Moskauer Ausstellung das Russland der späten Zarenzeit. Kunstvoll gestaltete Plakate werben für Kurorte und Eisenbahnreisen, Spirituosen und Delikatessen, Kino- und Ballettvorführungen. Die Gäste erhalten Einblicke in eine beinahe vergessene Glanzwelt, die in dieser Form nur wenige Jahrzehnte existierte, bevor sie von der Oktoberrevolution 1917 hinweggefegt wurde.

„Städtische Feerie“ nennt sich die Ausstellung, die zurzeit im Iwanowo-Saal der Russischen Staatsbibliothek zu sehen ist. Sie widmet sich der frühen russischen Plakatkunst des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Die Geburt der professionellen Werbung

Diese Phase vor dem Ersten Weltkrieg war in den Metropolen Europas von bedeutenden Neuerungen und Umbrüchen gezeichnet, die den Alltag der Menschen veränderten. Massenmedien und industrielle Warenproduktion kamen auf und veränderten den Handel grundlegend. Damit war die Grundlage für professionelle für Werbung geschaffen.

Lew Nikolajewitsch Kekuschews Plakat für die Moskauer Plakataustellung 1897
Lew Nikolajewitsch Kekuschews Plakat für die Moskauer Plakataustellung 1897 (Bild: Russische Staatsbibliothek)

In der zweiten Hälfte des entstand eine regelrechte Werbeindustrie und die Gestaltung von Plakaten wurde zu einer eigenen Disziplin angewandter Kunst.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Russland mehrere Ausstellungen, die eigens dieser Kunstrichtung gewidmet waren. In St. Petersburg wurden etwa mehr als siebenhundert Werke aus dreizehn Ländern gezeigt. Der Großteil stammte aus Frankreich, Deutchland und den USA, einheimische Werke waren noch wenige vertreten.

Plakat zur Plakatausstellung

Als Reaktion hierauf wurde 1897 in Moskau die Plakatausstellung in der Stroganow-Schule ausgerichtet, die nur inländische Arbeiten zeigte. Das Plakat für diese Ausstellung wurde von dem Jugenstil-Architekten Lew Nikolajewitsch Kekuschew gestaltet.

Es ist neben über 160 weiteren Exemplaren auf der aktuellen Ausstellung zu sehen. Neben Film- und Theatherplakaten finden sich hier auch solche mit politischen Botschaften. Den größten und beeindruckendsten Teil im Obergeschoss nimmt aber eindeutig die Welt des Konsums ein.

Hier lassen sich Schönheiten entdecken wie eine dunkelhaarige Wirtin, die frisch gezaptes Bier in Flötengläsern serviert, ein Elefant mit Cognakflasche im Rüssel, ein Eisbär, der Mützen präsentiert. Ein besonderer Hingucker ist das Plakat für Schokoladenkonfekt der Marke „Rokowye Schejki“ („Krebshälse“) auch Charkiw. Ein Krebs serviert die süße Ware auf einem Tablett, ein anderer sitzt mit weißer Serviette am Tisch. Auch eine Maggi-Werbung in kyrillischen Lettern ist zu bestaunen.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 28. Juni. Der Eintritt ohne Ermäßigung kostet 300 Rubel.

Jiří Hönes

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