Das schaffen Mädchen auch

Boxen und Fußball sind nichts für Mädchen? Sie haben Probleme mit Mathematik und von Schreinerwerkzeug sollten sie am besten ihre Finger lassen? Solche Stereotype sind in Russland noch weit verbreitet. Das Festival „Auch für Mädchen?“ zeigt, dass dies für die junge Generation nicht mehr zutrifft.

Mädchen

Boxen ist nicht nur ein Sport für harte Kerle. © Anna Schmitko

Wie eine typische Zwölfjährige sieht Sofija Maschuga nicht aus. Die Haare hellblau gefärbt, die Unterlippe gepierct und auf den Schultern ein Rucksack mit Fußballschuhen. Seit fünf Jahren ist Sofija begeisterte Fußballerin und steht den gleichaltrigen Jungs in Sachen Geschwindigkeit und Technik in nichts nach.

„Meine Mutter hat in Moskau eine Fußballmannschaft gegründet. Eines Tages hat sie mich dann gefragt, ob ich nicht auch Fußball spielen möchte. Ich habe ja gesagt und wurde einfach auf das Feld gestellt. Ich hatte keine Ahnung, dass Fußball als männliches Spiel gilt. In der Schule habe ich allen erzählt, dass ich jetzt Fußball spiele. Aber die Jungs in meiner Klasse haben mir nicht geglaubt. Sie meinten, dass Mädchen nicht Fußball spielen können“, erzählt Sofija.

Die Antwort folgt auf dem Platz

Die Antwort hat die Zwölfjährige auf dem Platz gegeben. Und zwar so überzeugend, dass sich die Jungs bei ihr entschuldigt haben. Heute spielt Sofija im rechten Mittelfeld. Eine Karriere als Profifußballerin hat sie aber nicht im Sinn. Sie will sich alle Möglichkeiten offenhalten. „Ich gehe noch zur Kunstschule und möchte später was mit Malerei machen. Der Fußball bleibt aber weiterhin wichtig. Den gebe ich nicht auf“, so Sofija.

Genau um diese vielfältigen Möglichkeiten ging es beim Festival „Auch für Mädchen?“, das am 20. April im Museum der Stadt Moskau stattfand. Egal ob Fußballerin, Astronautin, Tischlerin oder Programmiererin. Die Veranstalter wollten die Vielfalt an Berufen zeigen und den Mädchen den Glauben nehmen, dass sie aufgrund ihres Geschlechtes bestimmte Tätigkeiten nicht ausüben können.

Mädchen sollen alle Möglichkeiten haben

Und so konnten sich die Vier- bis 14-jährigen an diesem Tag in vielen Bereichen ausprobieren. Und das nicht nur sportlich bei Schach und Fußball, sondern auch naturwissenschaftlich bei chemischen und physikalischen Experimenten und handwerklich beim Programmieren und Schnitzen.

Organisiert wurde das Festival von der Frauenfußballschule Girl Power. „Bei uns gab es immer einen Mangel an Mädchen. Wir wussten, dass sie Interesse haben, aber oft die Eltern die Kinder am Sport hindern. So haben wir entschieden, eine Mannschaft für die Mütter ins Leben zu rufen. Daraus ist eine ganze Frauenfußballschule entstanden. Heute trainieren bei uns mehrere hundert Mädchen. Wir haben sogar am russischen Pokalwettbewerb teilgenommen“, erzählt Wladimir Dolgij-Rapoport, einer der Gründer der Schule.

„Wir hören oft, dass Mädchen keine mathematische Veranlagung haben und sie keine Teamplayerinnen sind, da ihnen die Führungsqualität fehle. Für Mädchen bis zehn Jahre gibt es keine Mannschaftssportarten. Wie sollen sie ein Mannschaftsgefühl entwickeln? Ich habe absolut nichts gegen Mädchen, die Ballett tanzen, mit Puppen spielen und rosa Kleider tragen. Auch zu uns kommen immer wieder Mädchen in Kleidern mit Schleifchen. Wir erziehen keine mannhaften Weiber. Es geht darum, dass wir als Eltern eine Alternative anbieten müssen. Und auf die Frage der Tochter, ob sie zum Boxen gehen kann, ist ‚Nein, du bist kein Junge‘ die falsche Antwort. Bei den Jungs ist das mit dem Ballett übrigens genau das Gleiche“, so Dolgij-Rapoport weiter.

Bloß kein Zwang

Die Eltern, mit denen die MDZ auf dem Festival sprach, wollen ihren Töchtern keine „weiblichen“ Tätigkeiten aufzwingen. So lässt Oxana ihre Tochter an diesem Tag tischlern. Und sie weiß, wovon sie redet, denn Oxana bereitet beruflich Schwangere auf ihr Elterndasein vor. „Die Welt hat sich zum Besseren verändert. Mir gefallen die Dienstanweisungen in einigen Betrieben. Dort heißt es, dass weibliche Mitarbeiterinnen etwas Zeit zur Erholung brauchen und dass man sorgsam mit ihnen umgehen muss. Dann werden sie auch produktiver sein als die Männer. Das stimmt natürlich nicht, aber so gewöhnt man sich an Frauen in Männerberufen“, meint Oxana.

Tischlermeister Jewgenij Wosnesenskij ist überzeugt, dass Mädchen kreativer sind. „In unserer Schule arbeiten Mädchen und Jungen in gemeinsamen Gruppen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Mädchen genauer sind, und sie haben immer tolle Ideen. Tischlerei ist natürlich physisch anspruchsvoll, aber mit einem guten Werkzeug stehen Mädchen den Jungs in nichts nach.“

Ljubawa Winokurowa

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