Das Ende der Einkaufstempel?

Shoppingcenter gehören seit vielen Jahren zu Moskau. Damit könnte es vorbei sein. Denn in der Krise haben die Menschen ihre Einkaufsgewohnheiten geändert.

Shoppingcenter
Auslaufmodell Shoppingcenter? Viele Moskauer wollen die Konsumtempel in Zukunft meiden. (Foto: Jiří Hönes)

Es gab eine Zeit, da waren Einkaufszentren der letzte Schrei und ein Symbol für den beginnenden Wohlstand der Russen. Seit den 2000ern entstanden überall in Moskau riesige Malls, die nicht nur allerhand Waren feilboten, sondern auch jede Menge Freizeitangebote und ein Lebensgefühl. Das Shoppingcenter wurde zu einem Ort, an dem man seine Wochenenden verbrachte.

Damit könnte es demnächst vorbei sein, wenn man dem Moskauer Stadtarchitekten Sergej Kusnezow glaubt. Auf einer Konferenz sagte er Mitte Mai ein Sterben der Shoppingcenter in der Stadt voraus. Das Format habe ausgedient, so Kusnezow. Denn nicht zuletzt durch die Selbstisolation habe sich das Einkaufsverhalten verändert. Tatsächlich konnten die Moskauer ihre Einkäufe in den vergangenen Monaten nur um die sprichwörtliche Ecke erledigen.

Moskauer wollen Shoppingcenter meiden

Und viele scheinen den Konsumtempel nicht nachzutrauern. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK will jeder dritte Befragte nach der Selbstisolation seltener ins Shoppingcenter. Das Stadtjournal „Moskvichmag“ spricht davon, dass sogar die Hälfte aller Moskauer zukünftig einen Bogen um die Malls machen wird.

Die Coronakrise könnte damit einen Trend beschleunigen, der sich seit einiger Zeit ankündigt. Denn der Markt scheint zunehmend gesättigt. Schon Ende 2019 gab es Vorhersagen, dass in ganz Russland hunderte Shoppingcenter mit einer Ladenfläche von 1,2 Millionen Quadratmetern schließen könnten. Kusnezow will daher „lieber hunderte kleine Läden, als einen großen“ etablieren.

Der Einkauf soll wieder im Viertel stattfinden

Das schaffe mehr Arbeitsplätze und sei auch besser für die Gesundheit. Letztendlich könne man mit Ladengeschäften auch ein angenehmeres Stadtgefühl schaffen, glaubt der Architekt. Die dann leerstehenden Shoppingcenter könne man getrost abreißen, um Platz für Parks und Wohnungen zu schaffen.

Zumal wohl kaum jemand die oft gewagt aussehenden Gebäuden vermissen würde. „Das sind keine teuren Immobilien, es ist nicht schade, wenn man sie abreißt. Und architektonisch sind die meisten auch kein Meisterwerk. Wir verlieren deswegen nichts“, prophezeit Kusnezow.

Dass es wirklich zum Ende der Shoppingcenter kommen wird, glaubt der Immobilienverwalter Knight Frank hingegen nicht. Allein das russische Klima mache eine Tour durch Einkaufsstraßen sehr ungemütlich. Die Menschen werde es auch weiterhin in Shoppingcenter ziehen, heißt es aus dem Unternehmen. 

Coworking und Arztpraxen als Zukunft?

Oleg Schapiro sieht die Zukunft der Einkaufszentren pragmatischer. Sie sollten nicht unbedingt verschwinden, sondern sich wandeln, meint der Mitbegründer des Architekturbüros Wowhaus. Sein Vorschlag: In leerstehende Geschäfte sollen Coworking Spaces einziehen.

So könne man der neuen Arbeitswelt nach der Coronakrise Rechnung tragen. Auch Großküchen und Ärztehäuser schweben so manchem Besitzer als neue Mieter vor. Letztere würden dann wieder viele Menschen anziehen. Nur einkaufen werden die woanders.

Daniel Säwert

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