Bundestag lädt Russen wieder aus

Jährlich vergibt der Deutsche Bundestag das Internationale Parlaments-Stipendium (IPS) an politisch interessierte junge Hochschulabsolventen. Die absolvieren dann ein dreimonatiges Praktikum bei einem Mitglied des Bundestages. Auch viele Absolventen aus Russland gewannen so wertvolle Einblicke. Bis vor Kurzem.

Der Deutsche Bundestag: Russische Parlaments-Stipendiaten sind hier vorerst nicht mehr erwünscht. (Foto: Tino Künzel)

Das Ziel des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) ist es, jungen Menschen die Gelegenheit zu geben, durch eine Tätigkeit am Deutschen Bundestag politische Prozesse kennenzulernen und praktische Erfahrungen im Bereich der parlamentarischen Arbeit zu sammeln. Die Stipendiaten besuchen diverse Veranstaltungen in Ministerien und nehmen an Sitzungen von Fachausschüssen, Arbeitsgruppen und Vollversammlungen teil.

Das Auswahlverfahren für das Programm besteht aus mehreren Runden. Gegenwärtig laufen die persönlichen Vorstellungsgespräche. Doch in der langen Liste der mehr als 40 Herkunftsländer ist Russland nicht mehr vertreten – nach 26 Jahren ununterbrochener Teilnahme.

Erst Auswahl, dann Ausschluss

Seit am 24. Februar die russische „Sonderoperation“ in der Ukraine begann, haben europäische Universitäten reihenweise Austauschprogramme mit Russland eingestellt. Es gab auch Berichte, dass russische Studierende wegen ihrer Nationalität die weitere Teilnahme am Studium verweigert worden sei. Das erwies sich im Nachhinein als Gerücht.

Der Bundestag hat seinerseits jedoch beschlossen, die Zusage an Stipendiaten aus Russland rückgängig zu machen. Fünf Auserwählte wurden so aus dem Programm gestrichen.

Das Auswahlverfahren startet jedes Jahr im Juli. Angetreten wird das Praktikum im jeweils darauffolgenden Jahr. Auch die russischen Bewerber für den aktuellen Jahrgang haben sich also bereits 2021 um einen Platz zu bemühen begonnen. Um an dem Programm teilzunehmen, haben sie teilweise eine Auszeit bei ihrer Universität genommen oder einen Job gekündigt. Als die Entscheidung über ihren Ausschluss getroffen wurde, waren einige bereits in Berlin. Von Teilnehmern sind sie zu Fast-Teilnehmern geworden.

„Nähe zu internen Vorgängen“

Der Vorstand des Vereins der Russischen Alumni hat sich inzwischen mit einem Brief an die Bundestagsverwaltung gewandt. Darin wird die Entscheidung bedauert und darum gebeten, sie noch einmal zu überdenken. Die Autoren verweisen darauf, dass der direkte persönliche Austausch ein bewährter Schlüssel zur Völkerverständigung sei.

Der Brief wurde von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas beantwortet. Sie begründete den Schritt damit, dass die Stipendiaten einen „unmittelbaren Zugang zu allen politischen Prozessen“ hätten. Vor dem Hintergrund dieser Nähe zu „internen Vorgängen eines Verfassungsorgans“ habe man sich entschlossen, Russland im Programmjahr 2022 von der Teilnahme auszuschließen.

Geteilte Meinungen bei Alumni

Eine ehemalige Teilnehmerin aus Russland hat der MDZ erzählt, was das für eine Erfahrung war. „Das IPS-Programm sei für sie das „Highlight der vergangenen Jahre“ gewesen. „Es war eine einzigartige Möglichkeit, hinter die Kulissen zu schauen und das politische Leben Deutschlands hautnah mitzuerleben.“ Einige frühere Stipendiaten arbeiteten in Bundestagsbüros weiter, viele engagierten sich gesellschaftlich und politisch in ihren Heimatländern. Das gelte auch für die russischen Alumni.“ Die Entwicklung finde sie deshalb „unglaublich schade“ und nennt als Gegenbeispiel den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Der habe den Weg von Russland nach Deutschland offengehalten.

Doch wenn sich die Ex-Stipendiaten in den sozialen Netzwerken austauschen, gibt es auch andere Meinungen. „Das ist eine absolut faire Entscheidung“, schreibt jemand, schließlich repräsentierten die Stipendiaten ihre jeweiligen Heimatländer.

Studium weiter möglich

Derweil ist auch das Bundeskanzler-Stipendium für Führungskräfte von morgen Bewerbern aus Russland nicht mehr zugänglich. „Der institutionelle und materielle Austausch mit Russland ist gestoppt, die individuelle Kommunikation wird jedoch fortgesetzt“, heißt es auf der offiziellen Webseite.

Ein Studium in Deutschland bleibt jedoch weiter möglich. Fortgesetzt werden die DAAD-Stipendienprogramme für Studierende und Forschende aus Russland. Auch russische DAAD-Stipendiaten, die sich bereits in Deutschland befinden, behalten ihr Stipendium und können ihren Aufenthalt weiterführen. Eine Fast-Teilnehmerin am IPS-Programm will nicht von Diskriminierung sprechen. „Ich verstehe alles, auch die Entscheidung des Bundestages. Das bedeutet aber nicht, dass es mir nicht leid tut.“

Alexandra Konkina

Newsletter

    Wir bitten um Ihre E-Mail: