Der steinige Weg zum Studium in Deutschland

Ein Studium in Deutschland aufzunehmen, ist für viele junge Leute in Russland ein Traum. Doch was damit unter den heutigen Bedingungen verbunden ist, kann schnell zum Alptraum werden.

Die Technische Universität München ist eine von Deutschlands renommiertesten Hochschulen. (Foto: Wikimedia Commons)

Studenten aus Russland waren auch im vergangenen Jahr wieder zahlreich an deutschen Universitäten vertreten. Nach Angaben des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) bildeten sie eine der zehn größten Ausländergruppen. Für das Wintersemester 2021 waren mehr als 14.000 russische Studenten in Deutschland eingeschrieben. Neuere Statistiken sind noch nicht verfügbar. Doch in russischen Medien wird der weiteren Entwicklung unter den aktuellen Umständen immer mehr Beachtung geschenkt.

Was das für ein heißes Thema ist, zeigt auch die Resonanz im Internet. Im Sozialnetzwerk Vkontakte wurde eigens eine Gruppe eingerichtet, in der junge Leute ihre Erfahrungen mit dem Studium in Deutschland austauschen oder sich Rat holen können. Sie heißt „ProStudium e.V.“. Unterzeile: „Dein Deutschland beginnt hier.“ Die Gruppe hat mehr als 15.000 Mitglieder, die aktiv alle möglichen Aspekte des Lernens und Lebens in Deutschland diskutieren. Was sind in ihrer Wahrnehmung im Moment die größten Probleme?

Angst vor Bullying

Wegen der politischen Krise gehen viele Russen davon aus, dass sie in Deutschland voreingenommen behandelt werden und Anfeindungen zu befürchten haben. In der Vkontakte-Gruppe gibt es viele Beiträge mit Fragen zu diesem Thema. Besorgt sind nicht nur die Studenten, sondern auch ihre Eltern. In russischen Medien und sozialen Netzwerken wird noch Öl ins Feuer gegossen. Dort ist die Darstellung verbreitet, dass es auf jeden Fall zu Bullying kommt.

Einstellung der Sprachprüfungen

Viele russische Studenten gehen für englischsprachige Programme an die Universitäten nach Deutschland. Doch um dafür zugelassen zu werden, müssen sie ein Sprachdiplom vorlegen, das ihnen ein hohes Niveau an Englischkenntnissen bescheinigt. Bis zum Frühjahr war das kein Problem. Die beliebten TOEFL- und IELTS-Prüfungen für Studienzwecke konnten in vielen Sprachschulen auf russischem Boden abgelegt werden. Doch wegen der außenpolitischen Lage haben die britischen Inhaber die Tests ausgesetzt. Auch die deutsche TestDaF-Prüfung wurde abgesagt.

Die Moskauerin Katja Dolgowa hat sich erfolgreich an mehreren deutschen Universitäten für Bachelor-Studiengänge in Geologie beworben. Doch die plötzlich nicht mehr verfügbaren Tests bereiteten ihr viel Kopfzerbrechen. Der MDZ erzählte die 19-Jährige, sie sei bereits im März für eine Prüfung angemeldet gewesen. „Ich habe viel Geld dafür bezahlt. Ein paar Tage vor dem Termin wurde ich informiert, dass die Prüfung nicht mehr durchgeführt wird.“ Zum Glück habe sie die letzte zu diesem Zeitpunkt noch zur Verfügung stehende Computerversion der IELTS-Prüfung in einem australischen Sprachzentrum in Moskau ablegen können. Jetzt sei das nirgendwo in Russland mehr möglich. 

Um die unverzichtbaren Sprachdiplome trotzdem erwerben zu können, fliegen junge Russen in Nachbarländer. Populäre Destinationen, um die Tests zu absolvieren, sind Kasachstan und die Türkei. Das kostet allerdings ausgerechnet die viel Geld, die nur über sehr begrenzte Möglichkeiten verfügen.

Schwierigkeiten beim Zahlungsverkehr

Die Sanktionen gegen Russland haben dafür gesorgt, dass Russen im Ausland nicht mehr mit ihren Kreditkarten bezahlen können. Auch Internet-Einkäufe sind häufig unmöglich. Geld ins Ausland zu überweisen, stellt jetzt eine große Herausforderung dar.

Jegor Laritschkin aus St. Petersburg war mit solchen Hürden konfrontiert, als er Kurse auf der Coursera-Lernplattform buchen wollte, die Voraussetzung für zu Zulassung zu einem Master-Studium in Deutschland waren. Der 24 Jahre alte Absolvent eines Bachelor-Studiengangs berichtet: „Es gibt absolut keine Möglichkeit, die Kurse mit einer russischen Karte zu bezahlen. Ich bin froh, dass ich einen guten Bekannten mit einem Konto in Deutschland habe. Der hat sich bereit erklärt, die Zahlung für mich abzuwickeln. Sonst hätte ich meine Bewerbung abschreiben können.“

Die Reiseroute nach Deutschland

Der direkte Luftverkehr zwischen Russland und der EU liegt ebenfalls auf Eis. Wer bereits eine Zusage in der Tasche hat, ist deshalb trotzdem in Sorge, auf welchem Wege man denn überhaupt nach Deutschland gelangen kann. Katja hat sich bereits entschieden, einen Flug mit Umsteigen in Istanbul zu buchen, wenn es im September losgehen soll. Das koste zwar viel Geld, aktuell etwa 500 Euro. „Aber ich habe keine Wahl. Das ist noch die schnellste und unproblematischste Route, zumal ich viel Gepäck dabei haben werde.“

Doch trotz all dieser Komplikationen lässt sich an den Einträgen in der Gruppe „ProStudium“ ablesen: Das Interesse an einem Studium in Deutschland ist weiterhin groß.

Anastassija Schepelewa

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