Brjullow: Karl der Große der russischen Malerei

Brjullow ist einer jener Künstler, dessen Werke jeder Russe kennt. Neben den von allen geliebten drei bis vier „Hits“ hat dieser Maler vieles geschaffen, das es zu studieren und bewundern gilt. Die Ausstellung „Karl Brjullow. Rom – Moskau – St. Petersburg“, die am 10. Juni 2025 in der Tretjakow-Galerie eröffnet wurde, bietet die Möglichkeit, einen vielseitigen und unerwarteten Brjullow kennenzulernen.

Brjullow
Der wahre Brjullow. Daguerreotypie, 1850 (Foto: Wikipedia)

Die grandiose Brjullow-Ausstellung in der Tretjakow-Galerie ist in vielerlei Hinsicht gut. Das Einzige, was ihr fehlt, ist ein Streifzug durch die Familiengeschichte. Aus der Sicht der Logik der Exposition ist die Untersuchung des Stammbaums des Malers ein optionales Element. Andererseits trägt sie zum Gesamtbild bei.

Brjullows Nachname selbst, der als russisch wahrgenommen wird (er endet schließlich auf -ow), weckt bereits Interesse. Der Nachname seiner Vorfahren väterlicherseits war jedoch etwas kürzer – Brulleau. Sie waren gebürtige Franzosen. Sein Vater, ein Lehrer an der Kunstakademie in St. Petersburg, Pawel Brulleau, heiratete Maria Schröder, sodass der große russische Maler mütterlicherseits deutsche Wurzeln hatte. So kommt es, dass die Franzosen und die Deutschen gemeinsam der Welt einen russischen Künstler schenken konnten.

Brjullow
Selbstbildnis, 1834-1835 (Foto: Tretjakow-Galerie)

In der Ausstellung scheint es, dass Karl Brjullow das Beste aus allen Welten genommen hat: Seine Malerei ist einerseits völlig mediterran, gleichzeitig kann man in seinen Gemälden auch Motive und Züge finden, die eher für die nördliche Schule typisch waren. Kunsthistoriker bezeichnen seine Werke als den Höhepunkt der russischen Spätromantik, in der nicht nur die Bewunderung für die Harmonie der Welt und der Familie, die in seinen Gruppenporträts sehr deutlich wird, sondern auch innere Spannung und Leidenschaft zu beobachten sind.

Keine Brjullow-Ausstellung kann ohne ikonische Gemälde auskommen. Natürlich sind es „Die Reiterin“, sein Selbstporträt, „Italienischer Mittag“ (oder „Italienische Frau beim Traubenpflücken“) und „Der letzte Tag von Pompeji“. Dieses Gemälde aus dem Jahr 1833 begeisterte die Zeitgenossen, aber es kann auch die heutigen Liebhaber der schönen Kunst in Erstaunen versetzen. Auf der 4,5 mal 6,5 Meter großen Leinwand, die von der Fläche her einer kleinen Moskauer Wohnung entspricht, ist alles buchstäblich am Kochen. Dynamik, Licht und Schatten, Ausarbeitung von Details – alles in diesem Meisterwerk Brjullows erfordert ein langes Innehalten vor dem Bild.

Brjullow
Eine Familienszene in Italien, 1830er. (Foto: Tretjakow-Galerie)

Doch das ist noch nicht alles, was die Ausstellung „Karl Brjullow. Rom – Moskau – St. Petersburg“ bietet. Die Organisatoren haben die Idee von mehreren „Orten des Schaffens“ des Malers sehr gut ausgearbeitet, bis hin zur Erstellung von drei Karten, die Orte darstellen, die mit Brjullow in Verbindung gebracht werden. So können sich Besucher ein Bild vom Schaffen des Malers machen und der „Brjullow-Route“ in Moskau, St. Petersburg und, wenn man ein Visum und finanzielle Möglichkeiten hat, in Italien folgen.

Die Ausstellung ist nicht nur nach Regionen, sondern auch nach Gattungen, künstlerischen Techniken und Zeitabschnitten sehr gut gegliedert. An den wunderbaren Porträts von Brjullow kommt man nicht vorbei. Sie sind sehr unterschiedlich: feierlich und pompös, mit Orden auf den Uniformen, und weniger förmlich, familiär. Darunter befinden sich Porträts der Crème de la Crème der russischen Aristokratie sowie der Bäuerinnen, russischen und italienischen. Im Allgemeinen nehmen italienische Motive in Brjullows Werk einen besonderen Platz ein. Aber nicht weniger interessant sind sein türkischer Zyklus und generell orientalische Motive in seiner Malerei: „Bachtschissarai-Brunnen“ oder die schöne „Türkische Frau“.

Brjullow
Türkische Frau, 1837-1839 (Foto: Tretjakow-Galerie)

Unter Brjullows Porträts gibt es allerdings keine Bilder von Mitgliedern der kaiserlichen Familie. Dafür gibt es einen guten Grund. Nachdem er einen Auftrag vom Zarenpalast für ein Familienporträt erhalten hatte, kam der Meister wiederholt zum Hof, um die Kaiserin Alexandra Fjodorowna und die Großfürstinnen darzustellen. Diese ignorierten jedoch unter verschiedenen Vorwänden die Sitzungen. Nach einem erfolglosen Besuch bei Hofe bündelte Brjullow die bereits angefertigten Skizzen mit einem Strick und verließ mit ihnen die Sommerresidenz des Zaren. Nikolaus I. mißbilligte dies und hob den Auftrag auf. In der Ausstellung „Karl Brjullow. Rom – Moskau – St. Petersburg“ sind die Skizzen für das unvollendete Familienporträt zu sehen.

Brjullow
Der letzte Tag von Pompeji (Foto: Tretjakow-Galerie)

An Aufträgen mangelte es Brjullow jedoch nie. Unter ihnen gibt es einen, der allein seinem Namen hätte berühmt machen können. Er selbst schrieb bei dieser Gelegenheit: „Ich stellte mir vor, dass ich der zweite Michelangelo wäre, dass ich mir ein unsterbliches Denkmal setzen würde“. Dieses Denkmal ist die St. Isaakskathedrale in St. Petersburg. Ein ganzer Saal der Ausstellung ist Brjullows Arbeit an den Gemälden der Kathedrale gewidmet. Seine religiösen Werke scheinen weniger bekannt zu sein als seine berühmten Porträts und historischen Gemälde, und das ist ungerecht. Noch weniger bekannt sind die grafischen Arbeiten von Karl Brjullow. Die Grafik hat oft das Pech, dass sie im Schatten der malerischen Werke berühmter Meister steht. Die Kuratoren der Ausstellung haben diesem Umstand natürlich Rechnung getragen und einen der Akzente der Exposition auf die schönen Zeichnungen von Brjullow gelegt. Und neben ihnen findet man in den Ausstellungssälen etwas Unerwartetes. Es stellt sich heraus, dass Karl Brjullow, der schon zu Lebzeiten den Titel „der Große“ verdiente, ein Mann des Spaßes und nicht frei von Selbstironie war. Seine Karikaturen über seine Zeitgenossen und sich selbst sind ein brillanter Beweis dafür.

Igor Beresin

Newsletter

    Wir bitten um Ihre E-Mail: