Sie sind einer der Gewinner des Wettbewerbs „Russlands herausragende Deutsche“. Die MDZ-Redaktion gratuliert Ihnen dazu. Was halten Sie von diesem Wettbewerb und der Preisverleihung?
Das russische Publikum hat traditionell ein großes Interesse an der deutschen Kultur, der Technik sowie an manchen individuellen Eigenschaften, die den Deutschen zugeschrieben werden. Das ist auch in den heutigen politisch geprägten Zeiten immer noch so. Was den Titel des Preisträgers betrifft, so betrachte ich ihn nicht als Auszeichnung für irgendeine meiner Leistungen, sondern eher als Bestätigung des richtigen Weges. Generell gilt: Alles, was ich tue, tue ich um meiner Vorfahren und um unseres Landes willen.
Was ist wichtig zu wissen über das Erbe der von Meck?
Es ist eine lange Geschichte. Die Linie der von Meck beginnt im 15. Jahrhundert. Mein Ururgroßvater und meine Ururgroßmutter waren Menschen, die sich selbst geschaffen haben. Sie wurden nicht reich geboren. Nadeschda Filaretowna von Meck (1831–1894), Mädchenname Fralowskaja, russisch-orthodox, motivierte ihren Mann, den deutschstämmigen Karl Fjodorowitsch von Meck (Karl Otto Georg von Meck, 1821–1876), in die Privatwirtschaft zu gehen. Sie war seine Sekretärin, Übersetzerin und Buchhalterin. Heutzutage würde man von einem familiengeführten Unternehmen sprechen.
Karl von Meck wurde einer der fünf „Eisenbahnkönige“ Russlands. Er baute viele Straßen, aber nicht minder wichtig ist die Art und Weise, wie die von Meck das Geld verwalteten, das sie verdient hatten. Sie bauten Schulen, Bibliotheken, eine ganze Privatstadt und den größten Bahnhof des Reiches. Sie halfen Familien in schwierigen Situationen, Obdachlosen und Gefangenen. Darüber hinaus waren es die von Meck, die auf russischem Boden die Pfadfinderbewegung ins Leben riefen, aus der später die Pioniere hervorgingen. Eine eigene Geschichte ist der Beitrag der von Meck in Kriegszeiten, obwohl sie absolut keine Militärs waren.
Was meinen Sie damit?
Attal von Meck meldete sich freiwillig an die Front und wurde Offizier der Leibgarde des Preobraschenski-Regiments. Er fiel bei der berühmten Brussilow-Offensive in Galizien im Jahre 1916. Sein Vater Nikolai Karlowitsch von Meck meldete sich während des Ersten Weltkriegs freiwillig für die Versorgung der Armee. Er organisierte die Kühlung bei der Eisenbahn, die es vor dem Krieg nicht gab und ermöglichte so den Transport von Lebensmitteln aus Sibirien in den europäischen Teil des Landes.
Ein weiteres Beispiel ist Wladimir von Meck. Er überwachte die Arbeit der Lagerhäuser und Sanitätszüge, die unter der Schirmherrschaft von Kaiserin Alexandra Fjodorowna standen. Dabei schrieb sie Nikolaus II. viele Lobesworte über ihn. Sie schrieb auch, dass es leider notwendig war, Wladimir Wladimirowitsch nominell durch eine andere Person zu ersetzen, weil viele Leute über einen so jungen Mann in einer solchen Position und noch dazu mit einem deutschen Nachnamen verärgert waren. Bereits nach der Februarrevolution 1917 wurde Wladimir von Meck zum Befehlshaber aller Sanitätszüge an allen Fronten ernannt. Nach der Oktoberrevolution begann allerdings die Entwurzelung der Intelligenz. Nikolai von Meck blieb im Land und wurde 1929 erschossen.
Ein weiteres Thema Ihrer Forschung ist Tschaikowski. Wie gut kennt das russische Publikum den berühmtesten russischen Komponisten?
Es gibt mindestens zwei Möglichkeiten, Musik zu hören – den Besuch von Konzerten und das Anhören von Aufnahmen. Wenn man sich Konzertplakate ansieht, kann man eine Liste der häufig aufgeführten Werke erstellen. Konzerte haben immer eine kommerzielle Grundlage. Deshalb werden dort Werke aufgeführt, die beim Publikum gefragt sind. Dazu gehört natürlich das bekannte Klavierkonzert №1. Aber weit weniger Menschen kennen das zweite Konzert.
Und so ist es mit dem gesamten Erbe Tschaikowskis. Die späteren Sinfonien werden dagegen mehr aufgeführt als die ersten. Tschaikowski hat drei Ballettstücke komponiert. Diese Musik ist Musikliebhabern gut bekannt, obwohl es eine Vorliebe für den „Nussknacker“ und „Schwanensee“ gibt. „Dornröschen“ ist weniger berühmt. Mit der Kammermusik verhält es sich ähnlich. Wer in seinem Leben schon viele Konzerte besucht hat, wird sicherlich Werke von Tschaikowsky finden, die er noch nie gehört hat.
Man sollte unbedingt auch über das Leben des Komponisten mehr erfahren. Er war ein sehr interessanter Mensch.
Was in seinem Leben sollte Musikliebhaber interessieren?
Er war an allen möglichen Dingen interessiert, nicht nur an Musik. Er liebte es, zu lesen. In einem Brief an Nadeschda von Meck bat er sie, „noch ein Dutzend Bücher“ zu schicken, weil er das letzte bereits „verschlungen“ hatte. Die Korrespondenz zwischen den beiden dauerte 14 Jahre. In den 1220 Briefen, die sie sich schrieben, berührten sie Dutzende verschiedener Themen: philosophische, ethische, ästhetische, politische, wirtschaftliche, militärische, persönliche usw. Erst kürzlich wurde in Deutschland eine vollständige Übersetzung dieses Briefwechsels in drei Bänden veröffentlicht. Apropos Deutschland: Tschaikowski besuchte dort fast 20 Städte. Und er reiste oft als Dirigent nach Europa. Er arbeitete mit deutschen Orchestern zusammen und spielte Musik von deutschen Komponisten, nicht nur seine eigene.
Generell ist Pjotr Iljitsch ein großes Vorbild, das wir heute brauchen. Es gibt Menschen, die in völlig unterschiedlichen Kulturen bekannt und anerkannt sind. Sie sind ein verbindendes Element. Die Politik zerreißt viele Bande, während die Kultur die Beziehungen zwischen Völkern und Staaten aufrechterhält. Darum stellt es sich die Frage: Was ist gewichtiger, die Meinung eines Politikers von heute oder die Meinung und das Vermächtnis einer Person, die in 100 Jahren, in 200 Jahren usw. gelesen oder gehört wird?
Hat die Kultur diese verbindende Funktion nicht verloren? Ist sie nicht abgestumpft?
Ich denke, im Gegenteil, sie ist jetzt geschärfter. Diejenigen, deren Augen, Ohren und Gehirne noch nicht vollständig vom medialen Schleier vernebelt sind, können das sehen. Ja, man kann Künstler aus politischen Gründen verbieten. Und ich muss leider sagen, dass das auch funktioniert. Aber wir hoffen, dass die aktuelle Politik diese Konfrontation mit der Zeit irgendwie auflöst. Alle Kriege gehen einmal zu Ende. Und dann werden wir wieder zu dem zurückkehren, was uns alle interessiert und was uns ästhetisch gefällt.
Das Gespräch führte Igor Beresin.
Zur Person
Denis von Meck wurde 1969 in Moskau geboren und schloss 1994 sein Ingenieurstudium am Moskauer Institut für Energietechnik ab. Denis von Meck engagiert sich für die Erforschung und Bewahrung des Erbes seiner Vorfahren. Er ist ein direkter Nachfahre der Familien von Meck, Tschaikowski und Dawydow und der Gründer der von-Meck-Stiftung und des virtuellen Museums www.von-meck.info. Er hält Vorträge zu verschiedenen Themen, die von der Geschichte der Eisenbahn bis hin zu Musik und dem Kunstsammeln reichen.