Beethoven an ungewöhnlichen Orten

2020 ist Beethoven-Jahr und trotz der Pandemie führt kein Weg am Meister der Wiener Klassik vorbei. Auf den Besuch eines Konzertsaals müssen die Fans allerdings verzichten. Die Lösung bietet das Digital Orchestra by Golikov. Eine wahre „Ode an die Freude“.

Maestro Michail Golikow mit seinem Orchester (Foto: Dmitrij Weseljow)

Die Geschichte des Digital Orchestra ist voller interessanter Episoden. Es ist ein Kind von Michail Golikow, des Dirigenten des Staatlichen „Taurien“-Symphonieorchesters des Leningrader Gebiets. Golikow leitet auch Kinder- und Jugendorchester der Petersburger Philharmonie. Es scheint, als hätte er so ziemlich alles erreicht. Warum also etwas Neues ausdenken?

Die Idee zum Digital Orchestra by Golikov entstand bereits vor der Pandemie. Aber es gibt wohl kaum ein besseres Format, um sich in der Selbstisolation den schönen Seiten des Lebens zu widmen.

Live-Vorstellungen gibt das Orchester aber nicht, alles wird aufgezeichnet. Dadurch wird ein breiteres Publikum erreicht und die klassische Musik auch bei den Digital Natives gefördert. Und das ist Golikow wichtig. Bereits seit 2014 organisiert er mit seinen „Tauriern“ die „Studentenwoche der klassischen Musik“. Auch das Digital Orchestra ist in vielerlei Hinsicht ein Aufklärungsprojekt. Nicht zufällig wird Golikow vom Fernsehsender „Kultura“ unterstützt, der die Aufzeichnungen überträgt.

Fernsehsender unterstützt das Orchester

Das Orchester ist ein offenes Projekt und international. Neben Musikern aus Moskau und St. Petersburg nehmen auch welche aus ausländischen Orchestern teil. Das Format durchbricht die traditionelle „hermetische“ Geschlossenheit eines Musikkollektivs. Das führt zu Problemen, organisatorisch wie logistisch. Dafür ergeben sich neue Möglichkeiten. Denn die Musiker arbeiten in einer „fließenden“ Besetzung.

Am Anfang steht das Studio, in dessen sterilen akustischen Bedingungen der Ton aufgezeichnet wird. Anders geht es nicht. Die Videoaufzeichnungen finden an sehr verschiedenen und teils unerwarteten Orten statt, an denen störende Geräusche unausweichlich sind. So wurde Beethovens 8. Symphonie im ältesten Straßenbahndepot St. Petersburgs aufgeführt. Ein wunderbarer Ort, doch die Crew aus Kameraleuten erzeugt einen Lärmpegel, den Beethoven sicher nicht im Sinn hatte. Das gilt auch für die anderen Orte wie die Peter-und-Paul-Festung, die Annenkirche oder das Street-Art-Musuem.

Gespielt wird an urbanen Orten

Doch egal, wie sehr das musikalische Gericht gewürzt wird, die Hauptzutat ist die Musik des Wiener Klassikers. Trotz aller Umstände finden im Beethoven-Jahr viele Veranstaltungen statt. Wie etwa das Online-Festival BEE250VEN im August. Dort fand auch die Premiere des Digital Orchestra und seiner Beethoven-Symphonien statt.

Sie alle aufzuführen ist für Dirigent wie Orchester eine Herausforderung. Wie schafft man es, bekannte Musik neu und interessant erklingen zu lassen? Indem man der klassischen Tradition treu bleibt, das musikalische Material aber konzeptuell interpretiert, glaubt Golikow. „Das ist auf gewisse Art eine Brücke zwischen Geschichte und Gegenwart“. Das erklärt auch die Wahl der urbanen Aufführungsorte und die Zusammenarbeit mit noch recht jungen Musikern. Das Ergebnis der Arbeit des Digital Orchestra kann man im Fernsehsender „Kultura“ begutachten. Dort sind alle neun Symphonien abrufbar. Für das Digital Orchestra und seinen Dirigenten Michail Golikow sind sie ihre Brücke zu Beethoven.

Igor Beresin

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