„Ja, mir san mi‘m Radl da“

Russland ist ja riesig und Moskau ist der mit Abstand größte Schmelztiegel unseres Kontinents, ein Magnet für Menschen aller Couleur, mit ungewöhnlichen Talenten, mit erstaunlicher Schaffenskraft. Manche bringen es nach oben, manche bleiben unten. Die meisten mittendrin. Hier stellen wir sie vor. Heute: Paul Bruck, Bruck Consult

Man gewinnt den Eindruck, dass dieser Mann mit sich und der Welt zufrieden ist. Kann er ja auch: der Moskauer aus Wien und gestandener Lenker des kleinen, aber feinen Firmenimperiums Bruck Consult in der russischen Hauptstadt. 

Sein jovial-einladendes Lächeln verschwindet höchst selten aus seinem offenen, gesund-gebräunten Gesicht. Unüberseh- und hörbar seine österreichisch-wienerische Verbindlichkeit. Entspannt lehnt der Mittfünfziger sich im Bürostuhl zurück. Und was wäre ein Österreicher ohne Titel: Dipl.Ing. rer.agr.oec., MBA Paul Bruck, ein Agrarwirtschafts-Studierter.

Ganz g’schäftlich: Das Bruck-Consult-Team / privat

Tatsächlich wurzelt er eben auch auf dem Lande, in Leopoldsdorf, gut 30 Kilometer von der Hauptstadt Österreichs. Seine Eltern Paul und Maria waren dort „Landesproduktehändler“. Nach der Uni reizte ihn aber gleich Internationaleres, mit Blick gen Osten: „… denn das war doch für uns wie ein schwarzes Loch“. Sein erster Arbeitgeber war dann ‚Dow Chemical’ in Wien, bis das weltweit tätige Unternehmen ihn als Projektleiter 1987/88 nach Moskau schickte.

Russisch hatte er ja immerhin schon in der Schule gelernt. Und dann blieb er letzten Endes hängen. Allerdings mit wechselnden Managementaufgaben in der IT- Branche, auch für andere Märkte in der ehemaligen Sowjetunion, ab 1996 dann gar nach einem Management-Buyout als selbständiger Unternehmer. Gemeinsam mit Katharina Bruck. Die beiden waren ‚sweet little fourteen‘ als sie anfingen, sozusagen ‚Händchen zu halten‘. Und das tun sie nach mehr als 40 Jahren immer noch. Privat und geschäftlich. Als aktive Partnerin mit akademischem Vornamen „Dipl.Ing.“ hält sie oft im heimischen Wien die Firmenfahne hoch.

Paul Bruck / privat

Heute gliedern sich die Bruck-Abteilungen in „Bruck Consult“, „Most Management“ und „Most Service“. Und nicht zuletzt in „Balashova, Bruck & Partners“. Dahinter verbirgt sich ein breites Spektrum umfassender Dienstleistungen: von Accounting über Legal Services und Outsourcing bis hin zu Touristic Projects. Paul Bruck dirigiert nicht weniger als 12 russische Auslandsfilialen von Firmen aus dem deutschsprachigen Raum als Geschäftsführer. Dazu tanzt der umtriebige Alpenländler noch auf so einigen anderen Hochzeiten in der beruflichen Wahlheimat: Vorsitzender des Österreichischen Wirtschaftsforums AEF, als Boardmember der „Association of European Businesses“ AEB, Mitglied der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer (AHK). Und er ist in der „Österreichisch- Russischen Freundschaftsgesellschaft“. Natürlich. Und „Most“ steht im Russischen schließlich für „Brücke“.

Für die Brucks heißt das, mit ihrer Mannschaft die Schneisen durch den immer noch reichlich undurchsichtigen, hiesigen Dschungel aus Bürokratie, Behördenwillkür, Geschäftsmafia und Rechtsunsicherheit zu schlagen. „Die Eigenheiten fangen ja schon bei der unterschiedlichen Mentalität und der fremdartigen Sprache an, was immer noch gern unterschätzt wird und zum teuren, erfolglosen Abenteuer werden kann“, weiß er nach Jahrzehnten persönlicher Erfahrung. Zweites Standbein und geliebtes Steckenpferd ist vom Start weg vor zehn Jahren das Eventmanagement für Kultur- und Sportereignisse. Da hat ihm sogar schon Präsident Wladimir Putin im „Austria-Tirol Home“ der Winterolympiade in Sotchi ins Stammbuch geschrieben. Inzwischen hat er es zu russland-, wenn nicht gar weltweit gutem Ruf gebracht.

Und das kam so: 2012 hatte ihn eher zufällig die Anfrage von vier extremsport-begeisterten Landsleuten erreicht: „Wie wäre es mit einem global einzigartig langen Radrennen quer durch das russische Riesenreich!?“ Spontan, wenn auch von der Mega-Aufgabe nicht rückhaltlos begeistert, siegte der Initiativgeist und die tiefe Neigung zu Russland: „Das Land zeigen, wie es keiner kennt“, fiel ihm als Motto ein. Nach bescheidenen Anfängen hat sich die Wahnsinnstour schon im vierten Jahr zu einem wahren Großereignis gemausert, das ihn beschäftigt wie begeistert. Zum Kräftemessen der Extrem-Radler passten dann auch Brucks Landsleute vom Energy-Drink-Hersteller Red Bull. Und geschickt überzeugen, das kann er. Und schon sitzen die Salzburger als Partner mit im Sattel. Genau wie Volkswagen. 30 Multivans bilden inzwischen die Transportkarawane für das Begleitteam von insgesamt rund 100 Ärzten, Physiotherapeuten, Mechanikern, Köchen und Organisatoren.

Der Ultra-Radsport-Wettbewerb Red Bull Transsiberian Extreme geht über exakt vermessene 9287,1 Kilometer vom Moskauer Zentrum bis in die Stadtmitte des fernöstlichen Wladiwostok. Unbestritten das längste und herausfordernste Radrennen. Rauf und runter über den Ural, durch die unendliche sibirische Taiga, über einige der mächtigsten Flüsse der Welt, die Wolga in Europa und den asiatischen Ob, über Jenissej, Angara und Amur, vorbei am größten Süßwassersee, dem Baikal, Tausende von Kilometern entlang der Grenzen zu Kasachstan, der Mongolei und China. Sieben Zeit- und mehrere Klimazonen von kontinental bis subtropisch, bei Temperaturunterschieden von bis zu 40 Grad. Mehr als 15 langstreckengestählte Profis aus Russland, Deutschland, Belgien, Dänemark und den USA sind für 2017 gemeldet. Mutige aus Brasilien und Thailand standen auch schon am Start.

Die Ehe-, Geschäfts- und Reisepartner Brucks in Mexiko / privat

Derweil genießt Paul Bruck im Moskauer Zuhause am Weißrussischen Bahnhof seine familiäre Wohngemeinschaft. Der jüngere Sohn Mathias, 24, mit Studienabschlüssen in Moskau und Marseille, hat es bei der hiesigen Raiffeisen Bank schon zu etwas gebracht. Markus, vier Jahre älter, macht bei der global etablierten Beratungsfirma Ernst&Young, Filiale Wien, seinen Weg: „Bin stolz und glücklich über die beiden“, sagt Papa.

Ländlich-deftig oder nationaltypisch kochen, das ist seine persönliche Leidenschaft. Direkt über seinem Herzen auf seiner originalen Kochkluft prangt in Rot der Schriftzug „Österreich“. Die hochaufragende Kochmütze macht seine Erscheinung, die leichte frühbarocke Ansätze zeigt, um ein ganzes Stück größer. „Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat muss regelmäßig sein”, leckt er sich genießerisch die Lippen. Oder darf’s was Klassisch-Steirisches sein: Gebackenes Huhn mit Vogerlsalat. Wenn’s mal schnell gehen muss, tun’s auch „Heurigenspeisen“ wie Würstel und vorbereitetes Geselchtes, also gepökeltes oder kalt-geräuchertes Fleisch. Den Brucks schmeckt auch alles Thailändische aus dem Wok, und italienisches Osso Buco, also Rindsbeinfleischscheibe mit sämiger Gemüsesauce, ist der klassische Familienhit aus Südeuropa. Und dann ergänzt er noch schmunzelnd: „Übrigens, mein russischer Borschtsch ist auch ziemlich gut.“

Aber wo treibt er denn eigentlich all die notwendigen Grundprodukte auf, die er für seine kreativen Kocharien braucht? In der gewünschten Qualität und zum vertretbaren Preis? Bruck kennt keine Krise. Drei verlässliche Quellen hat er schon aufgetan: den deutschen Großmarkt Metro, das heimische Produktgeschäft Magnolia in der Nachbarschaft und die Spezialitäten, die er von Auslandsreisen im Handgepäck am Zoll vorbeischleust.

Parallel begeistert ihn und seine Angetraute Musik, von Klassik bis Jazz, ob als Zuhörer oder Ausrichter von Konzerten. Ja, und immer noch eher als Radfahren schwingt er den Golfschläger, schon lange und mit einem geradezu semi-professionellen Handicap von stolzen 21. Das sucht er alljährlich noch zu verbessern – zur Saison im Moskauer Skolkovo Club, der sich in Besitz eines der verbliebenen Ur-Oligarchen, Roman Abramowitsch, befindet. Eine weitere Lieblingsbeschäftigung: das weltweite Reisen.

Es beschleicht einen das Gefühl, dass ihm so gut wie alles, was er macht, nicht wirklich Mühe macht. Herumjonglieren, auf den Gebieten, die er sich selbst erschlossen und aufgebaut hat, das will er unbedingt‚ „solange wie’s geht“. Ruhig und gelassen in seinem „Wohlfühl-Dreieck“ Familie, Heimat Österreich und Wahlheimat Russland. „Wird’s sich schon so ausgehen“, da er ja – wie er mit charmantem österreichischen Akzenteinschlag sagt – seine Arbeit eigentlich gar nicht als solche empfindet. Ganz im Gegenteil: Dem baldigen Start zum Red Bull Transsiberian Extreme am 18. Juli um Schlag neun Uhr mitten in Moskau fiebert er schon förmlich entgegen.

Und in diesem Jahr, so viel sei schon verraten, ist auch die MDZ dabei. Bis zum Finish am 10. August an den Ufern des Japanischen Meeres. Allerdings mit dem Auto. Ist ja doch ratsam.

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