Ende 2023 gab Stellantis, hervorgegangen aus der Fusion der Groupe PSA (Peugeot Société Anonyme) und der FCA (Fiat Chrysler Automobiles N.V.) und Hersteller von jährlich rund 8,7 Millionen Autos unter 14 Marken, bekannt, die Kontrolle über sein gemeinsam mit Mitsubishi als PSMA Rus betriebenes Werk in Kaluga verloren zu haben. Dort hatten die Bänder seit April 2022 stillgestanden. Das russische Unternehmen Automobile Technologies übernahm die Leitung des Werks, wo nun seit Ende März der Citroën C5 Aircross gefertigt wird.
Nach Angaben des Automobilherstellers hat sich die Belegschaft des Werks nicht verändert und die Montagelinie, an der jetzt 121 Mitarbeiter beschäftigt sind, wurde in ihrer ursprünglichen Form wiederhergestellt. In einem Interview mit „Autonews.ru“ sagte Pawel Besrutschenko, Direktor für strategische Entwicklung bei Automobile Technologies, dass nur der Montagetisch – die Einheit, an der das Fahrgestell zusammen mit dem Antriebsstrang mit der Karosserie des künftigen Autos verbunden wird – modernisiert wurde.
Chinesischer Zulieferer
Die Wagen kommen in Form von lackierten Karosserien im Werk Kaluga an. Das Werk gibt den Namen des Zulieferers nicht bekannt und beschränkt sich auf die Aussage, dass die Karosserien „hauptsächlich“ mit der Bahn aus einem „befreundeten Land“ geliefert werden. Den Medien ist es jedoch gelungen, den Lieferanten zu identifizieren. Nach Angaben der Zeitung „Kommersant“ zeigen die Zolldaten, dass die Montagesätze aus China von Dongfeng Peugeot-Citroën Automobile kommen. Derzeit befinden sich etwa 100 Bausätze in Kaluga. Bereits im Februar hatte die Stellantis-Gruppe bekanntgegeben, dass sie sich bis Ende 2023 nicht mehr an dem Joint Venture mit Dongfeng in China beteiligen wird. Insofern hat der französische Hersteller Peugeot-Citroën Automobile mit der Citroën-Herstellung in Kaluga nichts zu tun.
Pawel Besrutschenko betont den „russischen Ursprung“ des in Kaluga produzierten Citroën: „Wir sprechen von einer Produktion im traditionellen Sinne. Nur hier werden die gelieferten Komponenten direkt zum Auto. Alle Autos erhalten schließlich eine russische VIN-Nummer.“ Nach Besrutschenkos Prognose wird der Citroën C5 Aircross bald etwa 1200 bis 1300 von 5500 möglichen Punkten erreichen müssen, womit der Grad der Lokalisierung des Autos bewertet wird. Dies soll durch den Einbau von einheimischen Komponenten gewährleistet werden. Dabei handelt es sich vor allem um Reifen, Felgen, Betriebsflüssigkeiten und Batterien. Bis Ende des Jahres plant das Unternehmen, die Karosserielackierung im Werk zu organisieren.
Kein Schnäppchen
Der aktualisierte Citroën C5 Aircross ist im Werk Kaluga vom Band gelaufen. Die Vorgängerversion wurde in Russland ab 2019 verkauft, aber die im Januar 2022 aktualisierte Version erreichte Russland nicht über offizielle Kanäle. Sie wurde von einigen Händlern im Rahmen des sogenannten Parallelimports aus China importiert. Ein solches Modell kann bei Autohändlern für durchschnittlich 4,1 Millionen Rubel (etwa 41.000 Euro) gefunden werden. Der Citroën C5 Aircross aus Kaluga in der Ausstattung „Feel“ mit 1,6-Liter-Benzinmotor mit 175 PS und 8-Gang-Automatikgetriebe wird ab etwa 4,3 Millionen Rubel (rund 43.000 Euro) kosten. Der Verkaufsstart im Händlernetz des Unternehmens Automobile Technologies, das mehr als 40 Autohäuser vereint, ist für Mai geplant.
Pawel Besrutschenko erklärte im Gespräch mit „Autonews.ru“, wie das Unternehmen zu möglichen Ansprüchen des Inhabers der Rechte an einer bekannten Automarke steht. „Wir haben keine neue Marke für das Auto erfunden, wie es einige unserer Kollegen getan haben. Das ist der Weg der maximalen Dreistigkeit. Es ist wichtig, dass wir wiedererkennbar sind und nicht irgendeine neu aufkommende Marke.“ Automobile Technologies habe auch keine Angst vor Sanktionen. Für den Fall von Strafandrohungen habe man nicht nur einen Plan B, sondern auch einen Plan C, so Besrutschenko.
Alternative zu Tiguan oder RAV4
Schwer zu sagen, wie dieses Auto von den russischen Käufern angenommen wird. Der Preis des Citroën C5 Aircross schränkt jedoch den Kreis der potenziellen Interessenten stark ein. Zum Vergleich: Der SUV Moskwitsch 3, der in Moskau im ehemaligen Renault-Werk gebaut wird, kann zu einem Preis von unter 2 Millionen Rubel (etwa 20.000 Euro) erworben werden. Wer allerdings einen Ersatz für den Toyota RAV4 oder den VW Tiguan sucht, könnte sich durchaus für den Citroën interessieren. Schließlich will man nicht von japanischen und europäischen Marken zu chinesischen und russischen wechseln. Man will das Gute und Gewohnte nicht aufgeben.
Igor Beresin
Neues Leben in Kaluga
In den 2010er Jahren entwickelte sich die Region Kaluga zu einem der wichtigsten Zentren der Automobilindustrie in Russland. Magna, Volvo, Renault, Peugeot-Citroën, Volkswagen und andere produzierten ihre Fahrzeuge hier. Diese Idylle fand im Februar 2022 ein Ende. Die Hersteller stoppten die Bänder, legten die Fabriken still und suchten nach Käufern für ihre Produktionsstätten.
Nun kehrt in die Hallen allmählich wieder Leben ein. Die Citroën-Produktion ist dafür nicht das erste Beispiel. Bereits seit Ende 2023 wird im Volvo-Werk, wo bis 2022 Lkw von Volvo und Renault montiert worden waren, wieder gearbeitet. Nun läuft hier der russische Lkw Ural Next, konzipiert für den Einsatz im Gelände, vom Band. 2000 Stück sollen es nach den Worten des Gouverneurs der Region Kaluga, Wladislaw Schapscha, im Jahr 2024 sein.
Das Schicksal des Volkswagen-Werks steht kurz vor der Klärung. Es solle noch in der ersten Jahreshälfte wieder in Betrieb genommen werden, gibt sich Schapscha zuversichtlich. Was der neue Eigentümer des Unternehmens auf den Linien produzieren wird, auf denen zuvor der VW Polo, der VW Tiguan und der Škoda Rapid hergestellt wurden, ist bisher nicht bekannt.