„Wir sind 25“

Die ganz große Sause musste wegen der Corona-Pandemie ausfallen, doch dafür sandte auch Präsident Wladimir Putin höchstpersönlich Glückwünsche: Der größte ausländische Wirtschaftsverband in Russland beging sein 25-jähriges Jubiläum und ehrte erfolgreiche Mittelständler.

Feiern trotz Krise: Rund 100 Gäste aus Wirtschaft und Politik zelebrierten ein Vierteljahrhundert AHK. (Foto: facebook.com/ahkrussland)

11.11., 11 Uhr 11. Startschuss zur närrischen Jahreszeit. Eine Art Festtag auch im Kalender von Matthias Schepp, Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) und Delegierter der deutschen Wirtschaft in Moskau. Immerhin stammt er aus einer der traditionellen Hochburgen des Karnevals, aus Mainz. Die entsprechende Stimmung scheint dieser in so anderer Hinsicht auch verrückten Tage irgendwie weiter weg denn je.

Mehr als 1500 Online-Gratulanten

Trotzdem ist der geborenen Frohnatur vom Rhein an diesem Tag sehr wohl zum ordentlich Feiern zumute: Die AHK, die aus dem 1995 gegründeten Verband der Deutschen Wirtschaft hervorging, hat Silberjubiläum und zum sechsten Mal wurden die Mittelstands­preise, erstmalig 2009,  verliehen. Trotz einer fesselnden virtuellen Zeitreise durch die Kammergeschichte und einiger gelungener künstlerischer wie musikalischer Höhepunkte – die eigentlich doch angesagte ganz große Sause fiel nach dem offiziellen Teil im schmucken SAP-Konferenzzen­trum erwartungsgemäß der Pandemie zum Opfer.

Aber vor ihren heimischen Monitoren versammelten sich über 1500 Online-Gratulanten. Im festlich ausstaffierten Saal kam eine behördlich vorgeschriebene, überschaubare Schar von 100 geladenen Ehrengästen aus Wirtschaft und Politik zusammen. Das Gebot der Stunde zeigte sich auch in der Abwesenheit des AHK-Vorstandsvorsitzenden: Schepp musste seine Video-Botschaft von Zuhause mit der Mitteilung eröffnen, dass er, wenn auch negativ getestet, aber aufgrund von erhöhter Körpertemperatur keinen einem Ansteckungsrisiko aussetzen wolle.

Krisenzeiten sind Kammerzeiten

Zaghaftes Schulterklopfen, herzhafter Händedruck mit meist babyblau eingefärbten Plastikhandschuhen, freudig-tiefe Blicke in die Augen des Gegenübers. So mancher unter den geladenen Gästen erlaubte sich eine bescheidene emotionale Zuwendung nach den vielen Monaten der Abstinenz. Schließlich kennt man sich lange genug, macht Geschäfte miteinander und fühlt sich nicht selten gar befreundet.

„Krisenzeiten sind Kammerzeiten“, verspricht ein Lieblingssatz von Schepp den Mitgliedern und unter dem schützenden Dach des größten ausländischen Wirtschaftsverbandes in Russland hat sich gerade in diesem herausfordernden Jahr ein eher gemeinsinniges statt firmen­egoistisches Zusammengehörigkeitsgefühl herausgeschält.

Mitgliederzahl dynamisiert sich

An die 4500 deutschen Unternehmen sind hierzulande aktiv, Deutschland ist nach China der weitaus wichtigste Handelspartner Russlands. Neben der Großindustrie hat sich vor allem das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, Familien- und Mittelstandsfirmen als Wachstumsmotoren, erfolgreich etabliert – mit hochmoderner Technologie, arbeitnehmerfreundlicher Ortsverbundenheit und sensibel gesteuertem Management unter politisch eher widrigen Umständen.

Viele darunter mit lokalisierter Produktion und russischen Partnern. So hat sich die stolze AHK-Mitgliederzahl im Vergleich zum Vorjahr um weitere 100 auf mehr als 1000 dynamisiert. Der russische Markt in seiner enormen kontinentalen Spannweite zeigt eben in denkbar positivem Sinne eine Entwicklungsgröße, die ungesättigt, ausbaufähig, gewinnbringend ist – und der Ruf der AHK mit ihren effektiven Lobbyerfolgen zeigt entsprechend zunehmende Anziehungskraft.

Das kam auch in den zahlreichen Grußworten von Wirtschaftslenkern und Spitzenpolitikern aus beiden Ländern zum Ausdruck. Von Präsident Wladimir Putin bekam die AHK aus gegebenem Anlass aufbauende Schützenhilfe – schriftlich: „Insbesondere in der heutigen Zeit, in der die Weltwirtschaft mit ernsthaften Problemen konfrontiert ist, gewinnt Ihre verantwortungsvolle und pragmatische Tätigkeit an Bedeutung. Sie ist stärker gefragt denn je.“ Horst Teltschik, außenpolitischer Chefberater von Helmut Kohl, trug per Video seine Perspektiven der deutsch-russischen Beziehungen vor.

Deutsche Firmen können Krise

Die Schirmherrschaft über die Verleihung des prestigeträchtigen Mittelstandspreises, der dem großen „Wegbereiter des Osthandels“, Otto Wolf von Amerongen gewidmet und nach ihm benannt ist, liegt in den Händen von AHK-Ehrenpräsidentin und ‚Grande Dame‘ der deutschen Wirtschaft im Lande, Andrea von Knoop, und Alexander Schochin, dem Präsidenten des Russischen Verbandes der Industriellen und Unternehmer RSPP.

Beide überreichten ihn nach Mehrheitsentscheid einer AHK-Mitgliederbefragung an die drei Gewinner: Das Familienunternehmen Liebherr in der Kategorie „Bester deutscher Mittelständler in Russland“, die Alexander Shorokhoff Uhrenmanufaktur mit Sitz im bayerischen Alzenau als „Bester russischer Mittelständler in Deutschland“ und der „Innovationspreis“ ging an MicoTech, ein Produktions- und Forschungszentrum für Mineralbeschichtungstechnologien aus Kaluga.

Matthias Schepp resümiert selbstbewusst und im kollektiven Sinne: „Es ist nicht so, dass die Firmen die Krise mögen. Aber es ist sicher so, dass sie Krise können.“ Eben. Da gibt es dann irgendwann wieder etwas zu feiern. Viel Glück.

Frank Ebbecke

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