Mieses Ukraine-Geschäft

Die Ukraine erlässt Sanktionen gegen Russlands größten Onlinehändler Wildberries. Wie gut laufen die russischen Geschäfte zwischen Karpaten und Dnjepr noch?

Wildberries-Bestellungen kann man in Russland an jeder Ecke abholen, in der Ukraine ist es komplizierter. (Foto: Wildberries)

Das Prinzip ist ganz einfach. Auf der Homepage unter den unzäh-
ligen Waren das gewünschte Angebot auswählen, bestellen und kurz darauf in einer Filiale um die Ecke abholen. So wurde der Onlinehändler Wildberries in Russland Marktführer und erzielte im vergangenen Jahr einen Rekordumsatz von 437,2 Milliarden Rubel (fünf Milliarden Euro). Auf der Suche nach neuen Absatzmärkten wagte das Unternehmen im vergangenen Jahr den Schritt in die Ukraine.

Doch das Engagement im Nachbarland, zu dem seit der Angliederung der Halbinsel Krim und dem Konflikt im Donbass ein angespanntes Verhältnis herrscht, stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Beim Launch der Website wurden ukrainischen Kunden etwa T-Shirts mit dem Konterfei des russischen Präsidenten angeboten. Ein Affront für die Ukrainer. Dass auf der Plattform später noch angeblich anti-ukrainische Bücher angeboten wurden, machte es Wildberries das Geschäft nicht leichter. Rufe nach einem Verbot wurden immer lauter. Ende Juli schließlich erließ Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Blockade aller Aktiva von Wildberries und verbot den Vertrieb von Waren innerhalb der Ukraine und den Abfluss von Kapital aus dem Land. Einen Grund für die Sanktionen nannte der Präsident nicht. Noch ist die Wildberries-Homepage erreichbar.

Immer weniger wirtschaftlicher Austausch

Unklar ist aber, wie es weitergeht. Der Onlinehändler steht dabei nicht alleine da. Im Jahr 2017 führte der Rat für nationale Sicherheit der Ukraine Sanktionen gegen russische Banken im Land ein. In der Folge erklärte die VTB ihre ukrainische Tochter für zahlungsunfähig und liquidierte sie. Russlands größtes Finanzinstitut Sber suchte jahrelang vergeblich nach einem Käufer, der den ukrainischen Behörden angenehm war. Im November 2020 zog man sich schließlich aus dem Nachbarland zurück. Man wolle sich international neu orientieren, erklärte Bankchef German Gref damals auf einer Pressekonferenz.

Die wirtschaftlich einst eng verflochtenen Nachbarn Russland und Ukraine entfernen sich seit Beginn des Konflikts 2014 wirtschaftlich immer weiter voneinander. Zuletzt belief sich das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern auf sieben Milliarden US-Dollar, erklärte der ukrainische Premierminister Denis Schmyhal Ende Juli gegenüber Journalisten. Vor sieben Jahren überquerten noch Waren im Wert von 37 Milliarden US-Dollar die gemeinsame Grenze. Geschuldet ist der Rückgang sowohl ukrainischen Sanktionen als auch russischen Einfuhrverboten. Dennoch ist Russland drittgrößter Handelspartner der Ukraine nach China und Deutschland. Russland verkauft hauptsächlich Öl und Nahrungsmittel in den Süden und erhält dafür Chemie- und Stahlprodukte.

Ukrainer aktiver in Russland als umgekehrt

Zwischen 2013 und 2018 sanken auch die russischen Aktiva in der Ukraine von 20,8 Milliarden auf 8,7 Milliarden US-Dollar, fand das Zentrum für wirtschaftliche Strategien in Kiew heraus. Trotz des massiven Rückgangs warnten die Autoren der Studie im vergangenen Jahr, dass der russische Einfluss auf die ukrainische Wirtschaft immer noch sehr groß sei.
Schaut man sich die reinen Beteiligungen an, dürfte die Angst der Studien-Autoren leicht übertrieben sein.

Nach Berechnungen der Analytiker von YouControl hatten 104 russische Firmen im vergangenen Jahr Tochterunternehmen in der Ukraine. Knapp 13 000 Unternehmen erhielten Geld aus Russland, aber nur gut 7000 waren mehrheitlich im Besitz eines Russen. Zeitgleich hatten gut 600 ukrainische Unternehmen Tochterfirmen in Russland. Verzerrend kommt hinzu, dass die Analytiker Gebiete in ihre Untersuchungen einbezogen haben, die sich nicht unter Kontrolle der Regierung in Kiew befinden.

Die will derweil dafür sorgen, dass das russische Engagement nicht wächst. Als man Mitte August die Privatisierung von Staatsbetrieben ausschrieb, ließ man keine russischen Unternehmer bei der Vergabe zu. Damit wolle man die „Abhängigkeit der nationalen Wirtschaft“ von Moskau verringern, so der Vorsitzende des Fonds für Staatseigentum Dmitrij Sennitschenko.

Daniel Säwert

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