
Als 1994 in St. Petersburg das Denkmal für Tschischik-Pyschik aufgestellt wurde, war das fast eine Revolution. Urteilen Sie selbst: ein Denkmal für einen Erlenzeisig, nicht für Helden. Außerdem war es sehr klein – nur 11 cm groß. Es wurde schnell zu einer Sehenswürdigkeit der Stadt. Das Denkmal befindet sich auf einem kleinen Sockel an der Kaimauer des Flusses Fontanka. Hunderte von Touristen und Einwohnern der Stadt versuchen jeden Tag, sich einen Wunsch auszudenken und eine Münze auf den kleinen Sockel zu werfen. Bleibt die Münze auf dem Sockel liegen, geht der Wunsch in Erfüllung. Fremdenführer erzählen verschiedene Legenden, die mit der Entstehungsgeschichte des Reims „Tschischik-Pyschik, wo warst du? Wodka trinken an der Fontanka“ zusammenhängen. Offenbar ist er bereits 200 Jahre alt.
Lange Zeit hielt Tschischik-Pyschik den Titel des kleinsten Denkmals in Russland. Doch 2013 bekam er einen Konkurrenten: einen Wanderfrosch in Tomsk. Das ist die Heldin eines Märchens des Schriftstellers Wsewolod Garschin. Einmal beschloss sie, mit den Enten auf einem Zweig nach Süden zu fliehen. Unterwegs quakte sie jedoch zur falschen Zeit und fiel in einen Sumpf. Dort begann sie, alle möglichen Lügengeschichten über ihre Reise zu erzählen. Übrigens wollte der Autor des Froschdenkmals, Oleg Kislizkij, die größte Skulptur der Welt in Tomsk errichten. Doch das Budget der Stadt reichte nur für den Frosch, der 4,4 cm groß ist. Aber es wurde das kleinste Denkmal nicht nur in Russland, sondern auch in der Welt. Kislizkij gelang es also, eine Skulptur der Superlative zu schaffen.
Die kleinen Pfauen in Serpuchow
Doch sowohl der Erlenzeisig als auch der Frosch sind einzelne Denkmäler. In den letzten Jahren sind in den russischen Städten ganze Gruppen von kleinen Figuren, die mit der Geschichte und der Kultur der Stadt verbunden sind und sich an verschiedenen Orten befinden, aufgetaucht. Die Suche nach ihnen wird zu einem Spiel und gleichzeitig zu einer Bekanntschaft mit der Stadt in einer ungewöhnlichen Form. Die Idee kam aus Europa.
Seit 2016 gibt es in Serpuchow, einer Stadt 100 Kilometer südlich von Moskau, Pfauenjunge. Bereits im 17. Jahrhundert züchteten die Mönche des örtlichen Klosters diese für das russische Klima untypischen Vögel. Daher tauchten sie 1883 im Wappen von Serpuchow auf. Der Schöpfer der Pfauenfiguren ist der Hauptbildhauer von Serpuchow, Ilja Djukow. Pfauen als Stellvertreter verschiedener Berufe und in der entsprechenden Uniform, typisch für das 19. Jahrhundert, stehen dort, wo ihre „Kollegen“ stehen sollten: so ein Pfau-Feuerwehrmann in der Nähe der Feuerwache, ein Pfau-Koch am Restaurant, ein Theater-Pfau am Eingang des Theaters usw. Insgesamt gab es 14 Figuren, aber 4 wurden bereits gestohlen.
Im Internet gibt es verschiedene Karten mit den Standorten der Figuren und Tipps, wie man sie finden kann. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sie bei schönem Wetter fast immer von Touristen überlaufen sind. Daher lautet der Ratschlag für diejenigen, die nach ihnen suchen wollen, wie folgt: Wenn Sie eine Gruppe von Menschen sehen, die an einem Ort zusammengedrängt sind, an dem es keine Menschenmenge geben sollte, und die zudem ihre Köpfe gesenkt haben, bedeutet dies, dass sich dort ein Pfau befindet.
Die Hasen in Kostroma
Seit 2024 sind 30 Zentimeter große Bronzehasen im historischen Zentrum von Kostroma zu sehen. Der Legende nach handelt es sich um die Hasen von Ded Masaj aus einem Gedicht des Dichters Nikolai Nekrassow. Der Bauer Masaj rettete sie vor den Überschwemmungen des Frühjahrs, und nun ist die Stadt eine neue Heimat für sie geworden. Jeder Hase erzählt etwas über das Leben und die Sitten der Bewohner von Kostroma im 19. Jahrhundert. Und das buchstäblich: Neben jeder Figur befindet sich ein QR-Code, der zur Geschichte des entsprechenden Hasen führt.
Zum Beispiel liegt ein Simogor-Hase auf dem Milchberg, nicht weit von der Wolga entfernt, mit dem Schild „Wache nicht ohne Geschäft auf“. Er erinnert uns an jene Obdachlosen, die bereit waren, jede Arbeit anzunehmen und ihren Verdienst sofort wieder auszugeben. Jeder befestigte an seinem Bein ein Schildchen mit dem Preis, den er für seine Arbeit verlangte, und schlief tagsüber, nach einer wilden Nacht. Wer einen Tagelöhner suchte, konnte sich den Preis ansehen und dann entscheiden, ob er einen Simogor aufwecken wollte oder nicht. Im Sommer lebten solche Tagelöhner recht gut. Aber im Winter war es hart, weshalb sie den Spitznamen Simogor trugen, vom russischen „sima“ für Winter und höchstwahrscheinlich „gore“ für Not. Übrigens haben Wissenschaftler die Bestätigung gefunden, dass in der Nähe von Kostroma in der Mitte des 19. Jahrhunderts tatsächlich Iwan Masajchin lebte, der mit Nekrassow befreundet war. Vielleicht hat er einmal Hasen vorm Hochwasser gerettet.

Tierchen und Fabelwesen
Zwischen dem ersten Pfau in Serpuchow 2016 und den Hasen in Kostroma im letzten Jahr haben ähnliche Mini-Skulpturen auch andere russische Städte geschmückt.
Die wohl berühmtesten von ihnen sind die gutmütigen Homlins aus Kaliningrad. Das erste Wichtelmännchen – Opa Karl – wurde 2018 auf der Honigbrücke aufgestellt. Alle sieben Fabelwesen sind sehr klein, etwa so groß wie die Handfläche eines Erwachsenen. Und sehr beliebt.

Seit 2021 beherbergt Werchnij Wolotschok in der Region Twer lustige Wölfe. Die Anwohner verleihen den Skulpturen Farbe, indem sie sie zu bestimmten Jahreszeiten und an Feiertagen verkleiden. Im selben Jahr erschienen in Tobolsk Engel, von denen jeder einen Namen und eine eigene Legende hat. Seit 2022 stehen Kikimore in Kirow und Zauberer in Archangelsk. Seit 2023 leben kleine Leoparden in Pskow und kleine Kosmonauten in Kaluga, Erdhörnchen in Wolschskij und Igelchen in Swetlogorsk. In Rjasan tauchten zur gleichen Zeit kleine Pilze mit Augen auf. Jeder von ihnen ist anders. In Susdal leben jetzt kleine Märchenfiguren, die die alten Einwohner der Stadt verkörpern und nach der Stadt Susdal benannt sind. Im Jahr 2024 wurde der Trend durch Joschkar-Ola (dort gibt es nun Kätzchen) und Perm (Bären) fortgesetzt.
Mini-Skulpturen und riesige Zahlen
Neue touristische Routen bieten neue Möglichkeiten. Ausflüge, die sich vor allem an Familien mit Kindern und Jugendlichen richten, sind im Kommen. Lokalhistoriker, Programmierer, die entsprechende Apps entwickeln, und Designer, die Souvenirs entwerfen, sind an der Entwicklung der Touren beteiligt.
Die Skulpturen, die in letzter Zeit wie Pilze aus dem Boden schießen, regen Touristen dazu an, in eine Stadt zurückzukehren, in der sie schon einmal waren, und sie aus einer neuen Perspektive zu entdecken. Das ist auch der Grund für die Verwaltungen derjenigen Städte, die diesen Trend bisher nicht unterstützten, nach niedlichen Figuren in ihrer Vergangenheit zu suchen und Geld für deren Gestaltung bereitzustellen.
Welchen Beitrag diese Mini-Skulpturen zur Entwicklung des Inlandstourismus leisten, kann natürlich niemand voraussagen. Aber es wird ihn geben. Prognosen zufolge wird es 2024 eine Rekordzahl von Reisen in Russland geben – etwa 92 Millionen.
Olga Silantjewa