Wenn der Funke überspringt

Es sind Bilder wie aus einem Katastrophenfilm: Wald- und Steppenbrände wüten in mehreren russischen Regionen. Auch eine Tradition soll dabei wieder eine der Hauptursachen sein.

Spur der Verwüstung: Im sibirischen Ujar blieben von vielen Häusern nur noch Schutt und Asche übrig. (Foto: Youtube/Varlamov)

Als die Flammen auf ihr Haus Feuer übergriffen, da habe sie einfach nur zu schreien angefangen, erzählt Walentina Gorlowaja in einem Video. Der bekannte Blogger Ilja Warlamow (in Russland als „ausländischer Agent“ gelistet) hat es auf Youtube veröffentlicht. In der sibirischen Region Krasnojarsk sind 60 Orte von Waldbränden betroffen, darunter auch Ujar, wo Gorlowaja wohnt. Als das Feuer über die Kleinstadt hinwegfegte, zerstörte es in nur wenigen Stunden die Häuser an vier Straßen bis auf die Grundmauern. „Alles, was du dir über viele Jahre aufgebaut hast, ist weg“, sagt sie. Und dass sie nicht einmal wisse, wo sie nun hinsolle.

600 Obachlose in einem einzigen Ort

Über 500 Wohnhäuser sind in der Region Krasnojarsk in diesen Tagen abgebrannt. Das klingt dramatisch, doch anderswo ist die Spur der Verwüstung noch größer. In der Ural-Region Swerdlowsk wurden allein in dem 10.000-Einwohner-Ort Soswa 600 Menschen obdachlos. In der benachbarten Region Kurgan wurde der Ausnahmezustand verhängt. Dort haben die Brände bereits über 20 Tote gefordert. Auch durch den Regionen Tjumen und Omsk in Westsibirien frisst sich das Feuer.

Apocalypse now: Flammenmeer in einer Ortschaft (Foto: Telegram)

Eine für diese Jahreszeit ungewöhnlich warme Witterung mit hochsommerlichen Temperaturen, Trockenheit und böige Winde haben vor allem die Ausbreitung der Brände begünstigt. Doch in Russland wiederholen sich derartige Tragödien von Jahr zu Jahr. Die Frage nach den Gründen beantwortete Katastrophenschutzminister Alexander Kurenkow jetzt ziemlich unverblümt. Als er in Kurgan eintraf, um die Feuerbekämpfung zu koordinieren, sagte er zu den Ursachen der Brandentstehung in Fernsehkameras: „Das Abfackeln von trockenem Gras, ganz einfach. Alles wie immer. Nichts ändert sich.“

Eine Frau betet, als die Brände ihr Dorf Uspenka in der Region Tjumen bedrohen. (Foto: Tjumenskoje Wremja)

Irrglauben hält sich hartnäckig

Im Frühjahr den Rasen abzubrennen, hat auf dem russischen Land Tradition. Angeblich soll frisches Gras dadurch schneller nachwachsen. Außerdem gilt die Methode als effektiver und billiger Beitrag zum Brandschutz. Dieser doppelte Irrglauben ist längst widerlegt. Das Abbrennen schadet dem Boden und der Umwelt und die „Brandschutzmaßnahme“ gerät regelmäßig außer Kontrolle – mit schwersten Konsequenzen.

Dabei ist die Praxis auf vielen Flächen sogar gesetzlich verboten. Die Strafen für Verstöße gegen den Brandschutz am und im Wald wurden erst im Vorjahr verzehnfacht. In der Region Krasnojarsk experimentiert man mit einer Prämie, die sich verdienen kann, wer Brandstifter meldet. Städte und Regionen versuchen auf offiziellen Webseiten, Aufklärung zu leisten.

Diese Straße scheint geradewegs in die Hölle zu führen. (Foto: Telegram)

Doch Tradition ist Tradition. Bisher scheinen weder Zuckerbrot noch Peitsche ein großes Umdenken bewirkt zu haben. Aber Greenpeace Russland hält es auch für zu billig, nur mit dem Finger auf Dörfler und Datschenbesitzer zu zeigen. Die Behörden reagierten oft nicht rechtzeitig auf Brände und die Feuerwehren seien damit nicht selten überfordert, auch das gehöre zur Wahrheit, hieß es jetzt. 

Tino Künzel

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