Swjatki: Wenn Teufel Zicken machen

Weihnachten ist in Russland vor allem ein religiöses Fest. Aber danach treibt man es ziemlich bunt. Die zwölf Tage zwischen Weihnachten und dem Dreikönigsfest heißen Swjatki und sind mit unzähligen mystischen Traditionen verbunden. Die MDZ-Autorinnen Alexandra und Kristina Poljakowa sind ihnen nachgegangen.

Für die russische Landbevölkerung waren die Swjatki einst das längste und beliebteste Fest des Jahres. Denn die Bauern hatten zu dieser Zeit alle Arbeit beendet und konnten sich endlich erholen. So entwickelten sich viele interessante Traditionen. Eine davon ist das noch heute praktizierte Sternsingen. Nach dem Gottesdienst am Weihnachtsabend ging das niedere Volk den Erlöser in Liedern preisen. Dabei hat die Sitte aber auch  heidnische Wurzeln und stammt aus den Zeiten, als die Slawen den Heidengott Koljada auf ähnliche Weise verehrten. Doch nach und nach vermischte sich der Brauch mit dem orthodoxen Glauben, was für die russische Kultur generell charakteristisch ist.

Swjatki

Das Tier im Menschen: Man muss ja nicht jedem gefallen. / Tino Künzel

Warwara Dobrowolskaja vom Staatlichen Volkskundezentrum hat sich mit den Swjatki beschäftigt und auch das Sternsingen untersucht. Aufgefallen ist ihr dabei eine Art Generationswechsel: „Früher waren die Sternsinger Kinder, jetzt sind es eher ältere Leute.“ Generell sei das Sternsingen heute nicht mehr sehr verbreitet, in einigen ländlichen Gegenden wie den südrussischen Regionen Belgorod und Wolgograd würden die Traditionen jedoch weiter gepflegt.

Viele sind damit aufgewachsen, so wie Natalja Sacharowa aus dem Dorf Tugur im äußersten Osten Russlands. Der Satz „Morgen beginnen die Swjatki“ hat sich ihr für alle Zeiten eingeprägt. Ihre Mutter kochte am Weihnachtsabend Sotschiwo – Reis mit Rosinen. Wenn sie von der Zeit sprach, die jetzt anbrach, benutzte sie den Begriff Gottseibeiuns, womit man vermeiden konnte, vom Satan zu sprechen. Ihr Vater drückte das so aus: „wenn Teufel Zicken machen“.

Nataljas Eltern erzählten ihr, wie bis zum Zweiten Weltkrieg alle Leute zu dieser Zeit die Kleider vertauschten: Einige wickelten sich in Felle von Haus- oder Wildtieren, andere trugen Pelzmäntel verkehrt herum, dritte setzten sich Pelzmützen mit Hörnern auf. Und alle gingen sternsingen.

Natalja tut das noch heute. Sie verkleidet sich und sogar ihren Hund Wjuga. Dann macht sie sich gemeinsam mit ihrer Freundin Jelena auf den Weg. So ist das meistens: Das Sternsingen geht mit zwei weiteren Traditionen einher – der Maskerade und dem Schelmenstreich. Die Swjatki ähnelten seit jeher einem Maskenball, bei dem die Mutigsten sich mit fremder Kleidung kostümierten: Männer mit Frauenkleidung, Frauen mit Männerkleidung. So konnte man leicht bluffen und Freunde zum Narren halten. „Falls die Bewohner des Hauses, vor dem man sang,  gastfreundlich waren und gute Geschenke gaben, wünschten die Sternsinger Gesundheit und Wohlstand. Bei abweisender Behandlung rächten sie sich und sperrten die Tür mit einem Besen zu oder schleppten die Zauntür weg“, berichtet Natalja. Auch andere Streiche sind bis heute beliebt: So werden etwa Holzstapel zum Spaß abgebaut oder Fuhrwerke vorübergehend umgeparkt.

Großer Beliebtheit in den Swjatki erfreute sich die Wahrsagerei, das ist bis heute so geblieben und eine der wenigen Traditionen, die auch von Städtern praktiziert wird. Junge Frauen wollen dabei vor allem mehr darüber erfahren, wen sie einmal heiraten werden. „Das wichtigste Ereignis im Leben einer Bauersfrau war immer eine gute Heirat. Und wie sie das am besten anstellt, darauf hat sie sich Antworten bei der Wahrsagerei versprochen. Es kann sein, dass Männer ähnlichen Beschäftigungen nachgingen, doch diese Traditionen sind nicht überliefert“, erzählt Warwara Dobrowolskaja.

Die heute 29-jährige Anastassija Mamajewa aus Sergijew Possad erinnert sich, wie sie mit anderen Mädchen in einer leeren Wohnung Wahrsagerei trieb, als sie 15 war: „Alle hatten Angst, mit zwei einander gegenübergestellten Spiegeln einen Korridor zu formen und dort hinzuschauen, um in die Zukunft zu sehen. Ich habe mich getraut und einmal das Gesicht eines Mannes erblickt, der meinem heutigen Gatten sehr ähnlich sah, das muss ich schon sagen.”

Galja Muratowa, eine 34-jährige Moskauerin, ist noch nicht verheiratet. Mit Hilfe der Wahrsagerei will sie es aber nun wissen. Wer wird der Richtige für sie sein? „Ich habe es schon mit einem Kamm unter dem Kopfkissen versucht. Man legt ihn da drunter und sagt: ,Zukünftiger, kämme meinen Kopf!` Und dann wartet man ab, wer einem im Traum erscheint.“ Man sei eben neugierig, was die Zukunft bringt. „Und wer weiß, vielleicht erfüllt sich das Traumbild ja wirklich.“

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