Russian Field: Wissenschaftler sind gegen die Militäroperation

Soziologie in Kriegszeiten ist eine gefährliche Beschäftigung, sowohl für die Forscher, als auch für die Teilnehmer der Umfragen. Die Reaktion auf eine Studie von Russian Field beweist diese Tatsache ein weiteres Mal.

Russian Field
Nach der Studie von Russian Field wird die russische Wissenschaft unter das Mikroskop genommen. (Foto: Sergej Kiseljow/AGN Moskwa)

In den sozialen Netzwerken braut sich ein Sturm über die Veröffentlichung des Forschungsunternehmens Russian Field zusammen. Die Welle wird vor allem von Personen ausgelöst, die oft in den Medien zitiert werden. Das sind diejenigen, die heute für sich in Anspruch nehmen, die Staatsideologie zu formulieren. Ihr Einfluss auf die russischen Eliten und Machtstrukturen ist unbestreitbar, was bedeutet, dass Konsequenzen nicht ausgeschlossen werden können.

Ein Porträt aus dem Jahr 2022

Die Analysten von Russian Field haben eine Studie mit dem Titel „Porträts von Befürwortern und Gegnern der Militäroperation“ durchgeführt. Die Daten stammen aus sechs Durchgängen einer landesweiten Telefonumfrage, die im Jahr 2022 durchgeführt wurde. Von allen Informationen, die im Rahmen dieser Studie erschienen, fiel den Kritikern vor allem ein Bild auf, das die Aufteilung der Befürworter und Gegner der Militäroperation nach Berufen zeigt. Der prominente politische Philosoph Alexander Dugin veröffentlichte auf Telegram folgenden Kommentar: „Ist es nun klar, dass die fünfte Kolonne nicht nur aus Künstlern und Perversen in der Hauptstadt besteht? Das Hauptproblem haben wir in der Wissenschaft. Dieses Territorium ist fast vollständig vom Feind besetzt. Das Territorium unseres Bewusstseins.“ Eine solche Reaktion bezieht sich auf das Verhältnis von Befürwortern und Gegnern der „Sonderoperation“ in der wissenschaftlichen Gemeinschaft: acht Prozent dafür, 85 Prozent dagegen.

Wissenschaftler als eine feindliche Gruppe

In der Regel wird in Kommentaren zu sozialwissenschaftlichen Studien darauf hingewiesen, dass die Genauigkeit der gewonnenen Daten in Kriegszeiten sehr fragwürdig ist. Vor allem, wenn es sich um Telefonumfragen und Fragen im Zusammenhang mit der Politik handelt. Wenn die Daten aus dem Jahr 2022 als Grundlage für die Analyse herangezogen werden, ist ihre Genauigkeit noch fragwürdiger: Die Teilnehmer können ihre Meinung seit der Durchführung der Umfrage durchaus geändert haben. Dennoch zogen Dugin und andere, die auf das „Horrorbild“ reagierten, ihre Schlüsse. Die russische wissenschaftliche Gemeinschaft sollte diese Tatsache zur Kenntnis nehmen.

Alexander Dugin räumt ein, dass es noch andere Probleme gibt, die den aktuellen Stand der Dinge beeinflussen. Er erinnert zum Beispiel an hochrangige Generäle im Verteidigungsministerium, die „der Armee Milliarden gestohlen haben“. Für ein weitaus größeres Übel hält der Philosoph Dugin jedoch die russischen Wissenschaftler. „Es gibt eine ganze Klasse von Menschen, die nicht einmal daran gedacht haben, sich auf gedanklicher Ebene auf den Krieg vorzubereiten. Aber sie hätten es tun sollen. Und jetzt, wo der Krieg im Gange ist, stehen sie tatsächlich auf der Seite des Feindes. Sie alle, na ja, fast. Als eine Gruppe. Das ist die Matrix des Liberalismus, die durch die Strukturen des Westens, vor allem durch Soros, in unsere Gesellschaft eingeführt wurde.“

„Das ist generell ein Alptraum“

Der Schriftsteller Sachar Prilepin, der mit der Waffe in der Hand an Militäroperationen in der Donbass-Region teilgenommen hat, ist ebenfalls der Meinung, dass diese Geschichte eine westliche Spur enthält. „Das ist generell ein Alptraum. Unsere Wissenschaft wird verkauft und wird weiterhin verkauft werden. In Russland gibt es weiterhin ganz legal eine Vielzahl von Bildungseinrichtungen, die einfach Kader auf die Ausreise vorbereiten.“ Das schrieb er auf Telegram, wo er ein Bild des Russian Field postete. Gleichzeitig tadelte er die Studenten, die ihn enttäuscht hätten (44 Prozent für die „Sonderoperation“ und 38 Prozent dagegen). „Die Studentenschaft, und das ist furchtbar, liegt auch im Mittelfeld. Wir haben also eine Hälfte der zukünftigen Russen, die sich keinen Deut um ihre eigene Armee schert.“

Es versteht sich von selbst, dass Dugin, Prilepin und andere Kommentatoren, die von dem Bild von Russian Field betroffen sind, die Situation schnellstmöglich korrigieren wollen. Tatsächlich sind sie bereits dabei, dies zu tun. Im Juni stellte der politikwissenschaftliche Lehrstuhl der Moskauer Lomonossow-Universität den Masterstudiengang „Strategische Kommunikation, Informationskriege und hybride Kriegsführung“ vor. Daran sollte Sachar Prilepin teilnehmen.  Dugin hat erst neulich seinen Kurs „Westernology“ vorgestellt, der im Rahmen des Iwan-Iljin-Forschungszentrums an der Russischen Staatsuniversität entwickelt wurde. Die russischen Studierenden werden keinesfalls ohne bewährte Lehrer auskommen müssen.

Igor Beresin

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