Streit um „RT DE“: Sieht so der Medienkrieg aus?

Russlands Staatssender „RT DE“ versucht mit allen Mitteln, in Deutschland auf Sendung zu bleiben. Während die deutsche Politik auf Gesetze und zuständige Medienanstalten verweist, macht Russland im Handumdrehen einen deutschen Sender dicht.

Problemsender: Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa zu Gast im Studio von „RT DE“

Es war nur eine wenige Zeilen lange Pressemitteilung, doch sie brachte einen schwelenden Konflikt zur Eskalation. Am 2. Februar meldete die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der deutschen Medienanstalten, dass sie die „Veranstaltung und Verbreitung“ des Fernsehprogramms „RT DE“ in Deutschland untersage, weil die dafür erforderliche medienrecht­liche Zulassung nicht vorliege.

Der vom russischen Staat finanzierte Sender war am 16. Dezember nach längerer Vorbereitung an den Start gegangen, per Live­stream im Netz und über den Satelliten Eutelsat 9B. Schon am Tag darauf leitete die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) ein medienrechtliches Verfahren gegen „RT DE“ ein. Die sah sich als zuständig an, weil sich das Büro des Senders in Berlin befindet. Da es sich um ein bundesweites Programm handelt, lag die Entscheidung letztlich bei der ZAK.

Russische „Vergeltungsmaßnahmen“

Die Reaktion aus Russland folgte prompt und hart. Schon am nächsten Tag ordnete das Außenministerium die Schließung des Moskauer Büros des deutschen Auslandssenders „Deutsche Welle“ an. Schon zuvor war von „Vergeltungsmaßnahmen“ die Rede. Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa kommentierte: „Wenn sich Deutschland zur Eskalation entschließt, antworten wir gleichermaßen darauf. Entschließt sich Deutschland zur Normalisierung der Situation, sind auch wir dazu bereit.“

Doch was „normal“ ist, das ist in Russland bei Weitem nicht das Gleiche wie in Deutschland. Denn in Deutschland entscheidet nicht die Politik, welcher Sender senden darf und welcher nicht. Und schon gar nicht das Außenministerium.

Keine Sendelizenz in Deutschland beantragt

Zwei Dinge sind zentral. Zum einen regelt der Medienstaatsvertrag, dass es für Rundfunk eine Lizenz braucht. Mit Rundfunk sind „lineare“ Angebote gemeint, und zwar unabhängig ob online oder über Satellit. Kurz gesagt: Ein kontinuierliches Programm ist lizenzpflichtig, abrufbare Videos, etwa auf YouTube, nicht. Zum anderen schreibt der Vertrag den Grundsatz der Staatsferne vor. Der geht unmittelbar auf die Erfahrungen in der NS-Diktatur zurück und soll verhindern, dass eine Regierung den Rundfunk als Propaganda­instrument missbraucht. Das gilt auch für ausländische Regierungen.

Sowohl Maria Sacharowa als auch die Verantwortlichen bei „RT DE“ wissen das genau. Zumindest ist kaum vorstellbar, dass ein Sender, der vom russischen Staat mit einem Millionenbudget ausgestattet ist, niemanden hat, der sich mit den juristischen Spielregeln auskennt.
Daher hat es „RT DE“ gar nicht erst versucht, eine Sendelizenz in Deutschland zu erhalten, sondern probiert seit geraumer Zeit ein europarechtliches Schlupfloch nach dem anderen aus.

Umweg über Serbien

Zunächst hat man im Juni 2021 eine Lizenz in Luxemburg beantragt. Das Fürstentum kennt nämlich das Prinzip der Staatsferne nicht. Doch dort sah man Deutschland zuständig und winkte ab. Erfolgreicher war „RT DE“ in Serbien, wo im Dezember vergangenen Jahres eine Sendelizenz erteilt wurde.

Der Sender ist nun der Auffassung, diese Lizenz gelte aufgrund des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen (ECTT) auch in Deutschland. Dem Abkommen zufolge reicht nämlich eine Lizenz in einem teilnehmenden Land, um auch in allen anderen senden zu dürfen. Die ZAK hält dagegen, dass dabei der Sitz des Senders ausschlaggebend sei. Und der sei eindeutig in Berlin.

Jetzt liegt die Sache beim Verwaltungsgericht

Doch „RT DE“ treibt das Katz- und-Maus-Spiel weiter. Plötzlich heißt es, die Firma RT DE Productions GmbH in Berlin sei überhaupt nicht der Sender. Der befinde sich vielmehr in Moskau. Das Berliner Studio liefere lediglich Beiträge. Deutschland sei also überhaupt nicht zuständig. Um dies zu untermauern, hat der Sender eilig das Impressum geändert. Es dauerte auch nicht lange, da ging eine Klage gegen den Entscheid der ZAK beim Berliner Verwaltungsgericht ein.

Die MABB und die ZAK versuchen nun akribisch, alle Hinweise zu sammeln, die belegen sollen, dass es sich um einen Sender mit Sitz in Berlin handelt. Und derer gibt es genug, wie MABB-Chefin Eva Flecken gegenüber dem Branchenmagazin „DWDL“ sagte.

Gut möglich, dass das Verwaltungsgericht dieser Auffassung folgt. Doch was damit für Deutschland politisch gewonnen wäre, steht auf einem anderen Blatt.

„Medienkrieg“ gegen Russland?

Über die gesamte Dauer des Konflikts unterstellt die russische Seite der Bundesregierung – auch schon der vorigen – politische Einflussnahme. Schon als der US-Konzern Google den YouTube-Kanal von „RT DE“ wegen Verstößen gegen die Community-Richtlinien sperrte, machte das russische Außenministerium die Bundesregierung verantwortlich. Der Sender hatte Falschinformationen über die Coronapandemie verbreitet, was gegen die Regeln von YouTube verstieß. Margarita Simonjan, Chefredakteurin der staatlichen Medienagentur „Rossija Sewodnja“, zu der „RT DE“ gehört, sprach dennoch von einem „Medienkrieg“, den Deutschland gegen Russland führe.

Die Bundesregierung verweist derweil stoisch auf Gesetze und die Zuständigkeit der unabhängigen Medienanstalten, so etwa Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Antrittsbesuch bei ihrem Amtskollegen Sergej Lawrow.

Dilemma für die liberale Gesellschaft

Dass der Sender der deutschen Politik ein Dorn im Auge ist, ist dennoch kein Geheimnis. Angesichts der Berichterstattung ist das auch nicht weiter verwunderlich.

Hier stellt sich die grundsätzliche Frage, was eine liberale Gesellschaft aushalten muss, um sich von einer autoritären abzusetzen. Und was muss wirklich verboten werden? Mit dem Verweis auf die juristischen Feinheiten und das Gebot der Staatsferne weicht die deutsche Politik dieser Frage allerdings aus.

Und sie machte sich auch schon unnötig angreifbar. Die „Süddeutsche Zeitung“ meldete etwa, dass bei einem Beratungstreffen der deutschen und luxemburgischen Medienaufsichten auch ein Vertreter der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien am Tisch saß, während die Geheimdienste beider Länder für eine abhörsichere Verbindung sorgten – ein gefundenes Fressen für alle, die hier eine staatliche Einflussnahme sehen wollen.

Kritik von unerwarteter Seite

Kritik am verordneten Sendestopp kommt indes auch von unerwarteter Seite. Tichon Dsjadko, Chefredakteur des oppositionellen russischen Fernsehsenders „Doschd“ (in Russland als „ausländischer Agent“ gelistet), sagte gegenüber der „Zeit“: „Propaganda muss mit qualitativ hochwertigen Inhalten bekämpft werden.“ Das Sendeverbot hätte nur den russischen Behörden einen Vorwand gegeben, gegen die „Deutsche Welle“ vorzugehen.

Es ist eine politische Zwickmühle. Denn selbst wenn man auf Russland zugehen wollte, die deutschen Medienanstalten oder Gerichte können nicht einfach zugunsten von „RT DE“ entscheiden, nur um politische Konflikte zu vermeiden. Dass es unabhängige Institutionen gibt, ist eben gerade das, was den Unterschied der Systeme ausmacht.

Daher ist es auch völlig egal, welche Instanz auch immer eine Entscheidung zum Fall „RT DE“ verkündet. Bei Sergej Lawrow und Maria Sacharowa wird es immer als politische Einflussnahme gewertet werden.

Und „RT DE“ wird sowieso weitermachen, wenn nicht über Satellit, dann eben online. Das Effektivste, was die Gesellschaft in Deutschland in diesem Medienkrieg aufzubieten hat, ist eine freie Presse.

Jiří Hönes

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