Ohne Strategie und passendes Modell

Opel hat für 2019 seine Rückkehr nach Russland angekündigt. Doch diese wird kein Erfolg sein, meint der Automobilmarktexperte Ferdinand Dudenhöffer. Im Interview mit der MDZ erklärt er, warum die Strategie Opels nicht aufgeht, auf dem russischen Markt eine Rolle zu spielen.

Opel

Opel will in kleinen Schritten in Russland wieder Fuß fassen © Ilja Pitaljow/ RIA Novosti

Opel hat sich 2015 aus Russland zurückgezogen. Warum?

Damals sind alle aus Russland weggegangen. Wegen des Ukraine-Konflikts und der Sanktionen ging die russische Wirtschaft in die Rezession und allen voran die Automobilwirtschaft. Jetzt versucht man, das Stück für Stück wieder zu beleben.

Kam die jetzige Ankündigung der Rückkehr überraschend?

Nein. Der ehemalige Opel-Chef Karl-Thomas Neumann hat damals schon gesagt, dass man aussetzt und wartet, wie es weitergeht. Und jetzt sieht man, dass sich die Situation in Russland auf kleinem Niveau wieder erholt. Von daher gehen alle nach Russland und investieren. Also, keine wirkliche Überraschung. Es sind kleine Volumen, mit denen man jetzt plant. Aber bei Opel gehen weltweit die Verkäufe zurück und man verliert Marktanteile. Von daher greift man im Mutterkonzern Groupe PSA (Peugeot Société Anonyme, Anm. d. Red.) nach jedem Strohhalm, um zurückgehende Verkäufe aufzufangen.

Der Markteintritt ist also im globalen Rahmen zu sehen?

Ja. Andere Unternehmen wie VW engagieren sich stärker, mit größeren Investitionen. Bei Opel will man einfach nur Autos verkaufen. Es scheint, als hätte der russische Markt für Opel weniger strategische Bedeutung. Ansonsten würde man deutlicher investieren, richtige Werke bauen und SUV-Modelle für Russland spezifizieren.

Das klingt nach dem Prinzip Gießkanne.

Richtig. Man geht mit kleinen Investitionen und kleinen Verlaufsvolumen in jedes Land, das sich gerade bietet. Ein starkes Konzept, bei dem man sagt, man nimmt sich zwei bis drei Zielmärkte heraus und versucht, sie strategisch aufzubauen, ist nicht erkennbar.

Auch andere Autohersteller kommen wieder zurück oder engagieren sich stärker. Mercedes-Benz will noch in diesem Jahr ein Werk eröffnen. Was machen die anderen besser?

Sie gehen nicht mit der Gießkanne vor. Sie sehen die Perspektiven eines Marktes, der das Potential für fünf Millionen Neuwagenverkäufe pro Jahr hat. Allerdings muss Russland den Ukraine-Konflikt lösen, sonst wird es nichts.

Es ist ein strategisch interessanter Absatzmarkt, den man nur gewinnen kann, wenn man dort produziert und langfristig in Vertriebsnetze und spezifische Modelle investiert. Dafür braucht man einen Plan und Geld. Mercedes und VW machen das, genauso Renault.

Nicht auf lokale Produktion gesetzt zu haben, war einer der Fehler von der ehemaligen Konzernmutter General Motors. PSA will hingegen verstärkt in seinem Werk in Kaluga produzieren. Ist die Strategie also erfolgversprechend?

Wie gesagt, das machen eigentlich alle. Wegen der Zölle braucht man eine lokale Produktion. In Kaluga werden PSA-Modelle wie der Crossland X montiert, die einfach auf Opel „umgestrickt“ werden. Die Marke Opel soll dann noch gestärkt werden, indem man noch ein paar Insignias oder Corsas importiert.

Vielleicht kommt bei der Russland-Montage noch der zukünftige Opel Corsa dazu, der auf dem Peugeot 208 basiert. Aber mal schauen. Es sieht so aus, als versuche man mit einem Mix aus in Russland montierten Opel-Modellen und importierten Fahrzeugen in kleinen Schritten „Land zu gewinnen“. Eine große Initiative mit eigenständigen Modellen für Russland und kompletten Autowerken sehe ich weniger.

PSA ist auf dem russischen Markt nicht stark vertreten. Und die Verkäufe sind im Februar 2019 um 35 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat eingebrochen. Ist die Marke Opel das Vehikel, um bei den Russen besser anzukommen?

Die Marke Opel ist zwar bekannter als die anderen des Konzerns. Aber so wie PSA alles bisher angelegt hat, kann ich mir nicht vorstellen, dass es ein großer Schritt nach vorne ist. Betrachtet man PSA weltweit, sieht man, dass der Konzern in China fast unsichtbar geworden ist und in Europa die Marktanteile sinken. Opel ist mit großen Incentives, also hohen Rabatten, im Markt, die man braucht, weil die Modelle eben nicht ganz so prickelnd sind.

Dies gilt insbesondere für die auf PSA-Plattformen produzierten Opel-Fahrzeuge wie den Crossland X und Grandland X. PSA-Chef Carlos Tavares kann zwar erfolgreich Kosten senken. Aber in neuen Märkten und mit spannenden Produkten war er bislang wenig erfolgreich. China ist für Tavares ein Desaster. Es fehlen PSA-Autos, die beim Kunden Emotionen auslösen und sich vom Wettbewerb abheben. Auch deshalb machen bei Peugeot-Citroën in Europa die Marktanteile in den letzten drei Jahren keine Freude. Das Gleiche passiert bei Opel in Europa. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jetzt plötzlich in Russland alles anders ist.

Es existiert noch nicht mal ein Vertriebsnetz. Wie lange dauert es, so etwas aufzubauen?

Man kann sicherlich auf Partner zurückgreifen. Aber man muss eigentlich investieren, etwa in smarte Werbung. Und gerade das ist bei Opel ein großes Problem. Von daher versucht man, mit kleinem Geld Erfolge einzuheimsen. Damit bauen sie keine Marke auf. Ich kann mir nicht vorstellen, dass PSA und Opel in den nächsten Jahren eine führende Stellung einnehmen werden. Einfach, weil man zu wenig investiert und die Dinge sich auf kleinem Niveau entwickeln lässt.

Die Modelle, die unter der Führung von General Motors entwickelt wurden, dürfen nicht mehr angeboten werden. Wie kann man mit unbekannten Modellen Vertrauen gewinnen?

Opel wird am Anfang sicherlich kleine Brötchen backen. Man muss Stück für Stück wieder in den Markt kommen. Das dauert. Geld hat Opel nicht, um groß zu investieren. Von daher wird man einen langsamen Weg wählen und versuchen, die Modelle, die man heute mit PSA vertreibt, zu verkaufen. Es ist kein Markteintritt, wie ihn ein großer Player machen würde. Opel verfolgt ein Konzept, auf allen Märkten mitzumischen und ein paar Autos zu verkaufen.

Sind die Modelle überhaupt passend für den russischen Markt?

In Russland sind SUV gefragt. Und PSA hat da bisher kein vernünftiges Konzept. Alles, was sich als SUV verkauft, sind alte Modelle wie der Mocca. Tavares und PSA haben eher Cross-Over im Portfolio. Nach meiner Einschätzung ist das nicht der ganz große Wurf, um in der Zukunft in Russland Marktanteile zu machen. Bisher hat man nichts Neues gesehen. Auch beim diesjährigen Auto-Salon in Genf war wenig zu sehen außer dem neuen Kleinwagen Peugeot 208.

Koreanische Hersteller konnten in den vergangenen Jahren große Zuwächse verzeichnen. Was machen sie richtig?

Bei Hyundai und KIA muss man ganz klar sagen, dass die SUV bauen können. Sie gehen mit ihren Produkten und der Strategie richtig vor. Auch VW hat mit dem T-Roc und dem Tiguan gute Modelle. Das gleiche gilt für Škoda. Und Škoda ist prädestiniert, im unteren und mittleren Preissegment eine wichtige Rolle zu spielen, das in Russland stark nachgefragt wird.

Was schätzen Sie, ist der Wiedereintritt in den Markt nachhaltig oder eher ein kurzes Gastspiel?

Nach meiner Einschätzung ist es eher eine marketingorientierte Ankündigung, bei der man heute noch nicht sieht, was wirklich herauskommt. Ich würde es nicht allzu ernst nehmen.

Die Fragen stellte Daniel Säwert

Zur Person

Ferdinand Dudenhöffer ist Ökonom und Verkehrswissenschaftler. Nach seiner Promotion an der Universität Mannheim arbeitete er in der Automobilbranche und war bei Opel, Porsche, Peugeot und Citroën tätig. Seit 2008 ist Dudenhöffer Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Dort gründete er das CAR – Center Automotive Research, dessen Direktor er bis heute ist.

 

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