Die Gründerinnen der Bar „Nachthexen“ haben beschlossen, den üblichen Lauf der Dinge zu ändern. Jeder weiß, dass das Treffen mit Freundinnen bei einem Glas Saft, einer Tasse Kaffee oder einem Glas Wein das unantastbare Recht einer jeden Moskauerin ist. Und seit dem Siegeszug der Fernsehserie „Sex and the City“ mit Sarah Jessica Parker in der Hauptrolle sind solche Frauentreffen in der Metropole zu einem fast obligatorischen Ritual geworden. Moskau ist natürlich nicht New York, aber auch in der russischen Hauptstadt kann man ein Plätzchen finden, um sich mit den Freundinnen zu treffen. Tagsüber ist der Treffpunkt wahrscheinlich ein gemütliches, helles Café, später eine Bar, vor allem wenn niemand etwas dagegen hat, dass der Abend in der Großstadt mit Sex endet. Wo sonst sollte man eine kurze und unverbindliche Beziehung eingehen, wenn nicht in einer Bar?
Nur für Frauen
Die „Nachthexen“ allerdings bilden eine Ausnahme. Männer sind in dieser Bar nicht erlaubt. So steht es in der Werbung für die Bar: girls only. Die Betreiber dieser Räumlichkeiten schreiben in einem der in Russland verbotenen sozialen Netzwerke, dass sie sich von den Geschichten heldenhafter Frauen inspirieren ließen. In der Tat deutet der Name selbst darauf hin. Deutsche Soldaten nannten das sowjetische 46. Garde-Nachtbomberfliegerregiment, das ausschließlich aus Frauen bestand, Nachthexen. Allerdings gibt es hier eine doppelte Bedeutung. Die Bar in der Pokrowka-Straße ist „bis zur letzten Besucherin“ geöffnet, also bis tief in die Nacht. Und wie die Gründerinnen der Bar schreiben, hat ihr Interieur „einen Tropfen Hexenenergie“. Das rosa Neonschild sagt es direkt: „In jeder von uns lebt eine Hexe“. Um diese Energie voll zu entfesseln, werden den weiblichen Gästen der Bar Cocktails angeboten. Jeder von ihnen trägt den Namen einer prominenten Frau und „spiegelt ihren Lebensweg und ihre Leistungen wider“. So finden sich auf der Cocktailkarte „Coco Chanel“, „Marilyn Monroe“ und „Jeanne d’Arc“.
Unangemessene Namenswahl
Es bestehen zwar begründete Zweifel daran, dass Jeanne d’Arc sich darüber gefreut hätte, dass eine Hexe „in ihr wohnt“, aber das sollte man dem Gewissen der Speisekartenschreiber überlassen. Noch schwieriger ist es, sich über den „Anne Frank“-Cocktail zu einigen. Es ist möglich, dass einzelne Käuferinnen dieses Getränks „einen rebellischen Geist der Hoffnung und den Wunsch nach Freiheit trotz schwieriger Zeiten“ verspüren. So wird dieser Cocktail von seinen Schöpfern angepriesen. Aber höchstwahrscheinlich sind die heutigen Moskauer Nachthexen einfach nur froh, sich betrinken zu können. Sie werden kaum über die Geschichten hinter den einzelnen Namen nachdenken.
Igor Beresin