Land unter: Moskau und der Regen

Immer wenn es in Moskau heftig regnet, versinkt die Stadt in den Wassermassen. Schuld daran sind eine veraltete Kanalisation und ein Bürgermeister, der nur an der Oberfläche saniert.

Kanalisation
Moskau steht regelmäßig unter Wasser. (Foto: AGN Moskwa)

Überflutete Straßen, Menschen, die durch knietiefes Wasser waten, Autos, die in Unterführungen feststecken und Sturzbäche in Unterführungen. Was nach einem Endzeitfilm aus Hollywood klingt, können die Moskauer regelmäßig live erleben, ohne dafür horrende Eintrittspreise für das Kino zu bezahlen.

Wann immer sich in den vergangenen Jahren der Himmel über Moskau zusammenbraut, sind die Einwohner gut beraten, Gummistiefel oder gleich Wathosen anzuziehen, wenn sie auf die Straße müssen. Denn in schöner Regelmäßigkeit melden Teile der Stadt bei Regenfällen Land unter und die Fußgängerwege vereinigen sich mit den Straßen zu einer Seenlandschaft. Im sehr hügeligen Kitai-Gorod sprechen manche Anwohner gar schon vom „Moskauer Venedig“.

2016 wurde den Moskauern bewusst, dass ihre Stadt, die so sehr danach strebt, die modernste Europas zu werden, augenscheinlich nicht an alles gedacht hat. Im Juli vor vier Jahren standen Teile der Innenstadt wie der Manege-Platz, die Twerskaja uliza und der Arbat unter Wasser.

Innenstadt heißt im Volksmund „Moskauer Venedig“

Bürgermeister Sergej Sobjanin versprach damals angesichts der peinlichen Situation, die Kanalisation der Stadt auszubauen und die Probleme innerhalb von zwei Jahren zu beheben. Schnell machten die Planer auch 119 Problempunkte aus, von denen viele gar nicht in der Lage waren, größere Wassermassen aufzunehmen. Das Rathaus versprach 1,3 Milliarden Rubel (14,5 Millionen Euro) für die Sanierung bereitzustellen. Mehr noch, in den beiden Folgejahren sollten für 18,4 Milliarden Rubel (205 Millionen Euro) Rohre in den Untergrund verlegt werden.

Doch genützt haben diese Versprechen offensichtlich wenig. Denn der Regen füllt weiter die Straßen. Und die Stadt ist sich nicht zu schade, immer wieder neue Erklärungen zu geben. Mal heißt es, es sei zu viel Regen auf einmal gefallen, dann ist der Klimawandel Schuld. Mitarbeiter der kommunalen Verwaltungen erklärten gar, dass die Regengüsse intensiver geworden seien. Und im Juni erklärte Vizebürgermeister Pjotr Birjukow, das Wasser habe nicht abfließen können, da die Gullys mit Zweigen und Ästen verstopft gewesen seien. Damals standen 33 Straßen, Unterführungen und auch Läden unter Wasser.

Sicherlich ist der Klimawandel etwas, worauf sich auch Moskau einstellen muss. Doch viele Experten bezweifeln, dass die Natur der wesentliche Grund für das Abflussproblem ist. So stammt Moskaus Kanalisation noch aus der Sowjetunion und ist auf eine ganz andere Bevölkerungsdichte ausgelegt. Allerdings entwarf die Stadt zu Beginn der 2000er einen Generalplan für die Entwicklung der Kanalisation. Ziel des Planes waren 685 Kilometer neue Rohre und die Sanierung von weiteren 78 Kilometern. Die Pläne verschwanden jedoch wieder in der Schublade, denn sie galten als zu teuer.

Am falschen Ende gespart

Als Sergej Sobjanin das milliardenschwere Stadtsanierungsprogramm „Meine Straße“ auflegte, kam es zum nächsten Fehler. Denn der Bürgermeister lässt seitdem Moskau nur dort verschönern, wo es die Menschen auch sehen. Sprich, oberhalb der Asphaltdecke. Kritiker werfen Sobjanin seit Langem vor, er habe, abgesehen von der Metro, viel zu wenig in den Untergrund investiert. Der Tageszeitung „Iswestija“ erklärte der Architektur-Professor Sergej Tkatschenko, dass während der ersten Sobjanin-Jahre zu viele Projektierungsfehler durch Fachfremde gemacht worden seien. Bis heute habe man es nicht geschafft, diese zu korrigieren. Es seien etwa viel zu wenig Abflüsse gebaut worden und dazu teilweise noch an der falschen Stelle, kritisiert der Straßenbauexperte Igor Tschistjakow auf „Gaseta.ru“. Außerdem wurden durch die Mengen an Asphalt viele Oberflächen in der Stadt versiegelt, so dass das Wasser nicht mehr versickern kann.

Um das Abflusssystem in Moskau wirklich in den Griff zu bekommen, müssten die Hauptmagistralen aufgerissen werden, was jedoch die Stadt lahmlegen würde und dementsprechend unpopulär ist. Aber auch eine kleine Maßnahme könnte bereits Wirkung zeigen. Angesichts der Pfützen, die sich auf den Straßen bilden, empfiehlt der Architekt Sergej Sokolow, Bauarbeiter über Städtebau und Geländeausgleich aufzuklären. Genauer gesagt darüber, wie man eine Straße baut, damit das Wasser auch abfließt. Es wäre zumindest ein Anfang.

Daniel Säwert

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