Köstlicher Standard: russische Küche

Das russische Ministerium für Industrie und Handel hat eine Arbeitsgruppe zur Erstellung eines Standards für die russische Küche gegründet. Die Auswahl wird mehr als 250 Gerichte umfassen. Ziel dieses Projekts ist es, die nationale Küche sowohl innerhalb des Landes als auch außerhalb seiner Grenzen bekannt zu machen.

Schaschlik: die beste kulturelle Aneignung der Russen (Foto: Wassili Kusmitschonok/AGN Moskwa)

Die Arbeit an einem Standard für die russische Küche begann mit der Bildung einer Arbeitsgruppe. Ihr gehören Gastronomen, Restaurantkritiker und andere Fachleute aus der Gastronomiebranche an. Nach den Vorstellungen des russischen Ministeriums für Industrie und Handel soll die Liste mindestens 250 der Gerichte der russischen Küche umfassen. Dies warf sofort Fragen auf – vor allem hinsichtlich des Formats des Standards.

Maxim Marussenkow, Mitglied der Arbeitsgruppe und Historiker der russischen Küche, erklärt: „Nach langen Diskussionen hat die Arbeitsgruppe beschlossen, den Standard im Format „Begriffe und Definitionen“ zu erstellen, d. h. er wird weder Rezepte noch Empfehlungen für die Zubereitung der Gerichte enthalten, sondern nur klare, ausführliche Beschreibungen.“ Dabei betont er, dass es nicht das Ziel der Arbeitsgruppe sei, Wörterbücher zu wiederholen. Die vorgeschlagene Liste werde in erster Linie für Fachleute konzipiert, so der Experte.

Der Kaukasus ernährt Russland

Kürzlich hat eine Expertengruppe Empfehlungen für die Durchführung des Allrussischen Festivals der russischen Küche vorbereitet, das Teil einer Kampagne zur Popularisierung der nationalen Küche im Land ist. Die Arbeitsgruppe sieht in der russischen Küche eine verbindende Funktion für mehr als 190 Völker des Landes. Dem Dokument zufolge ist die russische Küche „eine Brücke der Freundschaft, die die Beziehungen zwischen den Völkern Russlands festigt und eine Atmosphäre der Freundlichkeit und des Vertrauens schafft“.

Dabei haben die Mitglieder der Arbeitsgruppe aus irgendeinem Grund Pilaw und Chinkali kritisiert, die Hits der zentralasiatischen und kaukasischen Küche, ohne die man sich die Moskauer Gastronomie kaum vorstellen kann. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe sind der Meinung, dass die Präsenz dieser Gerichte auf kulinarischen Festivals kein Symbol für gastronomische Vielfalt ist, sondern Ausdruck veralteter Vorstellungen von nationaler Einheit. Und dieser Zustand muss ihrer Meinung nach geändert werden. Die Priorität sollte weiterhin bei der russischen Küche und den Küchen anderer indigener Völker Russlands liegen. Seltsam, dass in diesem Zusammenhang nicht an Schaschlik gedacht wurde. Denn Schaschlik wird, ebenso wie Tschebureki, Chatschapuri und andere Gerichte der kaukasischen Küche, von den Russen mit der russischen Küche assoziiert. Und im Ausland ist es genauso: Wenn man sich russische Restaurants in Europa ansieht, ergibt sich ein ähnliches Bild.

Daher stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, die bekannten einfachen „Volksgerichte“, die bei allen Russen so beliebt sind, durch uralte oder komplizierte Rezepte zu ersetzen. Rebhühner in Sahnesauce, Moskauer Krabbensuppe oder Stör nach russischer Art sind Gerichte, die nur die wenigen zubereiten würden.

Gerichte der russischen Küche müssen nicht unbedingt einfach sein. (Foto: Denis Woronin/AGN Moskwa)

Kultur und Wirtschaft

Maxim Marussenkow: „Die erste Fassung dieses Dokuments wird sicherlich eine Menge Diskussionen, Ergänzungen und Korrekturen hervorrufen. Das ist gut und richtig: Wenn ein Dokument aktuell und gefragt ist, wird es unweigerlich geändert, ergänzt und in neuen Fassungen veröffentlicht werden.“ Auf die Frage nach dem Sinn des Ganzes haben der Experte und seine Kollegen eine Antwort. Auf diese Weise versuchen sie, das kulturelle Erbe, das Wissen und die traditionellen Rezepte der russischen Küche für zukünftige Generationen zu bewahren. Dies wird dazu beitragen, „die Bekanntheit russischer Gerichte im In- und Ausland zu steigern“.

Ausländische Touristen werden von den Experten ebenfalls als eine der Zielgruppen berücksichtigt. Die Steigerung des Zustroms von Gastrotouristen aus dem Ausland ist jedoch nur eines der Ziele der Entwicklung des Standards. Der Schwerpunkt der Experten liegt auf inländischen Touristen. Die nationale Küche muss gut und vielfältig vertreten und bei den Einheimischen beliebt sein. Wenn dies der Fall ist, wird sie auch für Reisende interessant sein. „Selbst Touristen, die in ihren Essgewohnheiten konservativ sind, probieren lokale Gerichte, wenn sie in ein anderes Land reisen“, sagt Marussenkow.

Typisch russisch: die kalte Suppe Okroschka (Foto: Pelageja Tichonowa/AGN Moskwa)

Wieder einmal eine Utopie?

Dies ist nicht der erste Versuch, die Russen wieder für die nationale Küche zu begeistern. Der ehemalige Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow unterstützte die Idee eines russischen Fastfoods sehr. Das Projekt „Russisches Bistro“ konnte sich jedoch nicht gegen die Konkurrenz durchsetzen. Auch diesmal bezweifeln viele Beobachter, dass der in Entwicklung befindliche Standard etwas ändern wird.

Im Internet wird lebhaft über die Aussichten für Gerichte aus Rüben und Steckrüben diskutiert. Die größte Sorge bereiten den Menschen manchmal die sehr komplexen Zutaten und Zubereitungsmethoden, für die es im modernen Alltag kaum Platz gibt. So sind Wohnungen beispielsweise nicht mit einem russischen Ofen oder einem Keller für Eingelegtes ausgestattet. Außerdem sind viele Rezepte sehr zeitaufwendig. Ein Beispiel dafür ist der Lieblingsbrei von Peter I., der Perlgraupenbrei. Nach dem traditionellen Rezept muss das Getreide zunächst 12 Stunden lang eingeweicht und dann weitere 6 Stunden im Wasserbad gekocht werden. Das ist natürlich ein Klassiker und muss unglaublich lecker sein, aber heute zu Hause kaum umsetzbar.

Allerdings ist der Standard auf Gastronomen und Köche ausgerichtet. Sie sollen sich überlegen, wie sie etwas Traditionelles attraktiv machen können – in Bezug auf Geschmack und Preis.

Anna Soldatowa

Newsletter

    Wir bitten um Ihre E-Mail: