Drei Generationen: der Internationale Frauentag im Wandel der Zeit

Der 8. März ist einer der beliebtesten Feiertage in Russland. Der Internationale Frauentag entstammt eigentlich der Arbeiter- und Frauenbewegung, ist heute jedoch mehr ein Tag der Blumen und Geschenke. Wir haben mit Frauen aus verschiedenen Generationen und verschiedenen Ländern gesprochen.

Frauentag
Eine Tulpe für die Dame. Der 8. März ist der Tag der Frauen. (Bild: AGN Moskwa)

An den Blumenläden der Stadt stehen Menschen in der Schlange, Supermärkte legen Pralinen in Reihen aus, Menschen probieren Parfüms und kaufen Glückwunschkarten. Ein Konsumparadies! Der 8. März, der Internationale Frauentag, zählt in Russland laut dem Meinungsforschungsinstitut WZIOM zu einem der beliebtesten Feiertage, kurz hinter Neujahr und dem Siegestag am 9. Mai.

Ursprünglich aber entstammt der Feiertag der Arbeiter- und Frauenbewegung. Die Idee dazu brachte erstmals die deutsche Sozialistin Clara Zetkin 1910 auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz ein. Frauen aus verschiedenen Ländern forderten das Frauenwahlrecht.

Ursprung in der Februarrevolution

Dass der Frauentag heute nahezu weltweit am 8. März gefeiert wird, hängt mit der russischen Februarrevolution 1917 zusammen. Im Ersten Weltkrieg arbeiteten die Frauen zuhause oft in den Berufen ihrer Männer weiter, die an der Front kämpften. Zu niedrigerem Gehalt. Am 23. Februar, nach gregorianischem Kalender der 8. März, gingen Frauen in Wyborg und in St. Petersburg auf die Straßen. Damit begannen die Proteste, die am Ende zur Abdankung des Zaren führten.

Seit 1917 war der Frauentag offizieller Feiertag in der Sowjetunion, den auch das moderne Russland erbte. Das Fest wird in diesem Jahr also zum 105. Mal gefeiert. Zeit für einen Gang durch verschiedene Generationen in den ehemaligen Sowjetrepubliken.

Ein Teil des sowjetischen Erbes

Dabei zeigen sich ganz unterschiedliche Bedeutungen, die parallel existieren. Während es sich für einige wenige um einen politischen Feiertag handelt, verschwand diese Bedeutung für die meisten anderen komplett. Für Irina, die in Moldau aufgewachsen ist, hat der Tag keine politischen Konnotationen. Sie verbindet ihn, wie viele, vielmehr mit dem Frühlingsbeginn und einem Festessen.

Für andere ist der Internationale Frauentag Teil des sowjetischen Erbes, das heute aber schon längst an Bedeutung eingebüßt hat. „Früher gab es Festkonzerte und führende Frauen verschiedener Berufe, von Ärztinnen bis zu Milchmädchen, wurden geehrt“, erklärt Oksana, 54, aus der Ukraine. Für sie hat der Tag heute gesellschaftlich keine Bedeutung mehr, er sei zu einer Art Valentinstag oder Muttertag geworden, bei dem man sich selbst entscheidet, ob man ihn feiert oder nicht.

Unterschiedliche Bedeutungen

Die 62-jährige Anna aus Belarus hingegen grenzt den Frauentag bewusst vom Muttertag ab: „Es ist ein Tag, um den Frauen in den Ländern des ehemaligen sozialistischen Lagers zu gratulieren und sie zu ehren. Besonders zu Zeiten der Sowjetunion wurde der Feiertag im großen Stil gefeiert! In anderen Ländern gibt es nur den Mutter- und Vatertag.“ Dass der Feiertag sich in der Sowjetunion ausbreitete, dauerte laut der heute 91-jährigen Anna aus der Region Woronesch eine Weile. Sie erinnere sich, dass sie erstmals 1950 in Moskau davon erfuhr, während sie in ihrem Dorf in bis zu ihrem 19. Lebensjahr nie vom Fest der Frauen hörte.

Weil die heutige Generation nicht mehr unbedingt eine Verbindung zum sowjetischen Erbe teilt, kann es schon auch mal zu Differenzen kommen. Für Darja, Psychologiestudentin, wirkte diese Art, den Feiertag zu begehen, in ihrer Kindheit und Jugend immer ein wenig künstlich: „Tatsächlich ging die Initiative so zu feiern, von der älteren Generation aus. Sie bestanden darauf, dass wir uns gegenseitig beschenkten, allein hätten wir wahrscheinlich gar nichts in der Richtung organisiert“. Sie dagegen bezieht sich heute explizit auf den historischen Hintergrund des Feiertages. Der Tag helfe dabei zu wissen, dass sie mit ihren Überzeugungen nicht allein sei, sondern dass es, sowohl in Russland als auch international, Menschen gibt, die ähnliche Ansichten teilen.

Lieber Party als Geschenke

Doch nicht nur die Bedeutungen wandeln sich, auch die Art und Weise, wie der Tag gefeiert wird, ändert sich im Laufe der Zeit. Valentina, heute 71 Jahre alt, berichtet von dem Feiertag in ihrer Kindheit: „Im Kindergarten und in der Grundschule haben wir Zeichnungen für Mütter angefertigt. Die Eltern steuerten einen Blumenstrauß für die Lehrerin bei. In der weiterführenden Schule haben wir, die Mädchen, Taschentücher bestickt und die Jungen die Zahl Acht aus Holz ausgesägt.“

Heute wird der Frauentag in Russland in der Regel im familiären Kreis gefeiert, mit Blumen und Geschenken von Verwandten und engen Freunden. Er gilt einerseits als Fest des Frühlings, geschenkt werden Mimosen oder Tulpen. Andererseits gilt er als gern gesehener freier Arbeitstag. Männer und Kinder bedanken sich für die Arbeit der Frauen im Alltag, das Erziehen durch die Mutter.

Die Moskauer Studentin Darja geht heute lieber zu Vorträgen und Partys mit ihren Freunden, statt den Tag mit ihrer Familie zu verbringen. Trotz der momentanen konservativen Dynamik in der russischen Gesellschaft, sagt Darja, ist der Frauentag wichtig für sie. „Er ist ein Anlass, um mich über die aktuellen Probleme wie häusliche Gewalt und Stereotype zu informieren und mich mit Frauen in Russland und weltweit zu solidarisieren.“

Sophia Othmer

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